Was hat der Mensch mit der Fruchtfliege gemein? Nicht viel, so sollte man meinen. Doch weit gefehlt. Wenn es ums Hören geht, funktionieren wir ganz ähnlich wie die Insekten. Wissenschaftler haben nun mithilfe einer neuen Messmethode die molekularen Vorgänge, die beim Hörvorgang im Ohr von Drosophila ablaufen, entschlüsselt. Die Ergebnisse könnten nach Ansicht der Forscher auch für die Erforschung von Hörschädigungen beim Menschen von Nutzen sein.
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In ihrer Studie gelang es Dr. Martin Göpfert und seinem Team von der Universität Köln den genauen Abläufen der Reizverstärkung im Ohr auf die Spur zu kommen. Dabei interessierten sich die Wissenschaftler besonders dafür, wie der Schall im Innern des Ohrs über Ionenkanäle in elektrische Signale umgewandelt wird.
Die Kölner Wissenschaftler konnten eine Messmethode entwickeln, die diesen Vorgang nach außen sichtbar macht: Öffnet sich der Ionenkanal, wackelt die Fliege mit den Antennen – nicht mit dem Auge sichtbar, aber mit einer Messapparatur nachzuweisen.
„Damit ergibt sich die tolle Chance, diese Kanäle endlich molekular charakterisieren zu können“, erklärt Göpfert in der aktuellen Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Current Biology begeistert. Seit 2003 leitet er am Zoologischen Institut der Universität Köln eine Nachwuchsgruppe der VolkswagenStiftung zum Thema „Hörvorgänge bei Insekten“.
Ionenkanäle mit wichtiger Rolle
Ohren sind faszinierende Sinnesorgane, die selbst leise und weit entfernte Töne wahrnehmen können. Eine zentrale Rolle im Hörvorgang spielen die Ionenkanäle, die den Schall in elektrische Signale umwandeln und so an die Fasern des Hörnervs weiterleiten. Diese Kanäle waren bisher noch ein großes Rätsel, da sie Experimenten nicht zugänglich waren. Göpfert und sein Team geben nun mit ihrem Modellsystem der Fruchtfliege den Blick ins Innere des Ohrs frei.
Treffen Geräusche in Form von Schallwellen auf die Antennen der Fruchtfliege – die Antenne entspricht unserem Trommelfell – werden diese Bewegungen direkt an die „Hörkanäle“ weitergeleitet, die sich mechanisch öffnen und einen Ionenstrom auslösen. Da die Kanäle an die Antennen gekoppelt sind, sollte andersherum auch die Öffnung der Kanäle an den Antennen messbar sein. Tatsächlich konnten die Wissenschaftler dieses „Kanal-Wackeln“ mit ihren Messungen an den Antennen bestätigen.
Das Modellsystem ermöglicht es nun, so die Wissenschaftler, systematisch die Reizumwandlung im Innern des intakten Ohres von außen zu untersuchen. Die Forscher gehen davon aus, dass die Aufklärung der molekularen Grundlagen des Hörvorgangs bei Drosophila auch für die Erforschung von Hörschädigungen beim Menschen von Nutzen sein wird. Sie vermuten, dass die Ähnlichkeit der Hörmechanismen sich auch in gleichen oder ähnlichen Molekülen wiederfindet.
(idw – VolkswagenStiftung, 29.05.2007 – DLO)