Wissenschaftler haben alle Gene der Fruchtfliege Drosophila identifiziert, die eine Rolle bei der Entwicklung und Funktion von Muskeln spielen – insgesamt 2.000 Stück. Sie sorgen im Endeffekt dafür, dass die Flugmuskeln der Insekten zu den stärksten Muskeln im Tierreich überhaupt gehören.
Der menschliche Körper besteht aus zehn bis hundert Billionen Zellen. Dabei ist nicht jede Zelle gleich: 200 verschiedene Zell- und Gewebetypen machen den menschlichen Körper aus. Während seiner Entwicklung durchläuft jeder dieser Zelltypen ein bestimmtes genetisches Programm, an dessen Ende rote Blutkörperchen Sauerstoff transportieren, Neuronen elektrische Signale weitergeben und Muskeln mechanische Kräfte erzeugen können.
„Es ist faszinierend, wie das genetische Programm eines Organismus so unterschiedliche Zelltypen aus identischen Vorläuferzellen erzeugen kann“, sagt Frank Schnorrer vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München im Wissenschaftsmagazin „Nature“.
Auf der Suche nach den Muskelgenen
Die Forscher um Schnorrer haben zusammen mit dem Team von Barry Dickson vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien jetzt erstmalig alle 12.000 Gene der Fruchtfliege Drosophila melanogaster systematisch auf ihre Rolle bei der Muskelentwicklung und Muskelfunktion untersucht. Ähnlich wie der Mensch besitzt die Fruchtfliege verschiedene Typen von Muskeln. Muskeln, die zum Beispiel Fliegenlarven langsam kriechen oder die Flügel der erwachsenen Fliege blitzschnell schlagen lassen.
25.000 Flugtests
Durch über 25.000 Flugtests haben die Forscher rund 2.000 Gene identifiziert, die eine Funktion in den Muskeln der Fliegen haben. „Ein Teil dieser Gene wird in allen Muskeln gebraucht“, erklärt Schnorrer, „ein anderer Teil nur in den sehr schnellen, sehr kraftvollen Flugmuskeln.“
Dabei gehören die Flugmuskeln der Insekten zu den stärksten Muskeln im Tierreich überhaupt. „Sie können bis zu 100 Watt pro Kilogramm Muskelmasse erzeugen und das über einen langen Zeitraum“, so der Biochemiker, „davon können Bodybuilder oder Tour-de- France-Fahrer nur träumen.“ Diese schaffen dauerhaft etwa 30 Watt pro Kilogramm Muskelmasse.
Viele Gene auch beim Menschen vorhanden
Viele der gefundenen Gene sind auch im Menschen vorhanden und werden dort wahrscheinlich ebenfalls für eine normale Muskelfunktion benötigt. Eine Veränderung dieser Gene führt nach Angaben der Forscher häufig zu Muskelerkrankungen. So ist beispielsweise bekannt, dass Mutationen in den Laminin-Genen für eine bestimmte Form von degenerativen Muskelerkrankungen, die Muskeldystrophie, verantwortlich sind.
„Das Wissen über solche Zusammenhänge könnte in Zukunft helfen, Muskelerkrankungen früher zu erkennen und individuell zu behandeln“, hofft Schnorrer.
(idw – Max-Planck-Institut für Biochemie, 11.03.2010 – DLO)