Zwischen Fisch und Maus liegen 400 Millionen Jahre Evolution. Doch in ihrem Erbgut besaßen Fische bereits den Genschalter, der bei ihren landlebenden Nachfahren die Entwicklung von Beinen und Armen anstößt. Das haben amerikanische Forscher anhand von Genvergleichen und Laborexperimenten herausgefunden.
„Gemeinsamkeiten, die durch den bloßen Vergleich von Hand und Flosse nicht offensichtlich sind, können im Genom zurückverfolgt werden. Hier findet man, dass die regulierenden Abschnitte, die die Entwicklung dieser Strukturen steuern, tatsächlich vorhanden sind und von beiden Organismen geteilt werden“, sagt Igor Schneider von der University of Chicago.
Fischsequenz kann Genexpression in Mäusen aktivieren
Die Genschalter sind bei Fisch und Maus jedoch nicht nur ähnlich, sie funktionieren auch evolutionsübergreifend. Das zeigt ein Experiment der Forscher. Mäuseembryonen, die statt ihres eigenen Genschalters den entsprechenden Genabschnitt eines Zebrafischs erhielten, begannen ganz normal mit der Ausbildung von Fußgelenk und Zehen.
„Die genetischen Schalter, die die Aktivität von Genen in den Füßen der Mäuse steuern, sind in den Fischen nicht nur vorhanden, die Fischsequenz kann sogar die Genexpression in Mäusen aktivieren“, sagt Schneider. Umgekehrt schaltete die Mäuse-Sequenz in Fischlarven Gene im Außenbereich der Flossen ein. Diese Ergebnisse widerlegen frühere Annahmen, nach denen die Genschalter für die Beinentwicklung der landlebenden Tiere in der Evolution neu entstanden sein sollten.
Übergangs-Fossil war Anstoß zur Suche
Auslöser für die Studie war ein berühmtes, im Jahr 2004 in Kanada entdecktes Fossil, der „Tiktaalik“. Dieser vor 380 Millionen Jahren lebende Bewohner flacher Uferzonen war eine Übergangsart zwischen Fisch und vierbeinigen Amphibien. Er hatte noch Flossen, diese enthielten aber bereits eine Knochenanordnung ähnlich der späterer Vierbeiner.
Diese Ähnlichkeiten inspirierten die Forscher, auch nach genetischen Gemeinsamkeiten zu suchen. „Tiktaalik und seine Cousins haben uns gezeigt, dass diese Gliedmaßen-Struktur doch keine völlige Neuheit der Vierbeiner ist, wie zuvor angenommen. Ein Vorläufer dieses Programms musste also existieren“, sagt Studienleiter Neil Shubin, ebenfalls von der University of Chicago.
Nur Abwandlungen statt völliger Neubildung
Im Erbgut von Mäusen, Hühnern, Fröschen und zwei Fischarten suchten die Forscher nach Abschnitten, die dem Genschalter CsB ähneln. Dieser reguliert beim menschlichen Embryo die Ausbildung der Gliedmaßen. In allen fünf Arten fanden sich Entsprechungen, sogar die Fische besaßen einige gleiche DNA-Sequenzen. Die wechselseitige Verpflanzung von Fisch- und Mäusevariante des Schalters in die jeweils andere Tierart bestätigte, dass diese Gene prinzipiell auch schon in den Fischen funktionsfähig waren.
„Vorher gab es die Idee, dass diese Schalter von Neuem aus dem Nichts entstanden sein mussten, aber nein, sie existierten vorher schon. All dies war nur eine Modifikation eines Programms, das bereits vor fast einer halben Milliarde Jahren im Erbgut von Fischen kodiert war“, sagen die Forscher. Die genauen Modifikationen, die aus einer bloßen genetischen Blaupause tatsächlich Beine entstehen ließen, wollen die Wissenschaftler nun in weiteren Studien erkunden. (Proceedings of the National Academy of Sciences, DOI: 10.1073/pnas.1109993108)
(PNAS / University of Chicago / dapd, 13.07.2011 – NPO)