Neurobiologie

Fußball: Wahrnehmung nicht auf Spin-Bälle eingestellt

Beschränkungen im visuellen System verhindern korrekte Einschätzung der Freistoß-Flugbahn

Anzahl an “Tor”-Antworten (in Prozent) von den beiden verschiedenen Gruppen (Feldspieler = EF, rot; Torhüter = EG, violet) für die acht Zielpunkte (1 bis acht auf der x-Achse) bei Schüssen ohne Spin (a), mit Spin im Uhrzeigersinn (b) und Spin gegen den Uhrzeigersinn (c). © Universität von Belfast

Warum können Torhüter so viele Freistöße nicht halten? Das haben jetzt Wissenschaftler der Universität von Belfast untersucht. Ihr Ergebnis: Das visuelle System des Menschen ist nicht darauf ausgelegt, Objekte mit gebogener Flugbahn genau genug abzuschätzen. Richtungswechsel im Flug sind nicht „einprogrammiert“.

Freistöße sind in einem Fußballspiel wichtige Chancen, ein Tor zu erzielen. Oft verleihen die ausführenden Spieler dem Ball dabei einen Spin, um ihn in einer Kurve ins Tor fliegen zu lassen. Wegen der Größe des von ihm zu schützenden Tores muss der Torhüter erst die Richtung des Balles antizipieren, bevor er zur einen oder andern Seite springt. Doch genau hier liegt das Problem: Bälle mit Spin sind extrem schwer abzuschätzen.

Torschüsse in der virtuellen Welt

Die Wissenschaftlerin Cathy Craig und ihr Team untersuchten, inwieweit der seitliche Versatz des Balles beim Spin die Wahrnehmung des Torhüters beeinflusst. Sie baten elf professionelle Fußballspieler, sowohl Stürmer als auch Mittelfeldspieler und Verteidiger, und neun Torhüter der Mannschaften AC Mailand, Olympique de Marseille, Bayer Leverkusen und Schalke 04 anhand einer Simulation in einem VR-System zu beurteilen, ob eine Reihe von virtuellen Schüssen im Tor landen würde oder nicht. Ihre Ergebnisse publizierten sie in der Fachzeitschrift Naturwissenschaften.

Das Programm beinhaltete acht verschiedenen Ankunftspositionen des Balls und drei verschiedene Flugbahnoptionen: ohne Spin, mit Spin im Uhrzeigersinn oder dagegen. Die Spieler sahen aus der Perspektive eines Torhüters in der Mitte seines Tores jeweils einen Ball auf sich zu fliegen, der jedoch zehn Meter vor dem simulierten Tor verschwand. Ihre Aufgabe war es abzuschätzen, ob der Ball im Tor gelandet wäre oder nicht.

Keine Chance bei Spin-Bällen

Das Ergebnis: Waren die Schüsse ohne Spin, beurteilten die Spieler den Ball als im Tor, wenn er frontal auf das Tor zuflog. Drehte sich der Ball im Uhrzeigersinn, schätzen die Spieler alle Flugbahnen vom Torhüter aus gesehen rechts von der geraden Linie als am Tor vorbei ein, alle anderen als „drin“. Tatsächlich aber lagen die Probanden damit ziemlich daneben, denn zwei der drei vermeintlichen Fehlschüsse wären im Tor gelandet, während zwei der als im Tor eingeschätzten weit vorbeigingen. Bei umgekehrtem Spin ergab sich das gleiche Bild nur spiegelbildlich vertauscht. Dabei schnitten Torhüter und Feldspieler gleich gut – oder gleich schlecht – ab.

Die Spieler machten offenbar ihre Einschätzungen eher von der aktuellen Flugbahn des Balls abhängig als den Effekt eines Spins auf die Flugbahn zu berechnen. Craig und ihre Kollegen schließen daraus, dass „die Wahrnehmungseffekte ihren Ursprung in der inhärenten Beschränkung des menschlichen visuellen Systems haben, den Ankunftspunkt eines Objekts korrekt zu antizipieren wenn zusätzliche laterale Einflüsse auf seine Bahn wirken. Auch die große Erfahrung unserer Teilnehmer scheint diese Mängel in der visuellen Wahrnehmung nicht Kompensieren zu können.“

(Springer Verlag, 22.05.2006 – NPO)

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