In der Landwirtschaft häufig eingesetzte Pestizide sind am rapiden Niedergang von Bienen und Hummeln mit schuld. Obwohl diese Pestizide als nicht-bienengefährlich zugelassen sind, schädigen sie schon in geringen Dosen das Nervensystem der nützlichen Insekten. Das berichten europäische Forscher in gleich zwei Studien im Fachmagazin „Science“.
Die in England und Frankreich durchgeführten Studien zeigen, dass Bienenarbeiterinnen durch die Giftwirkung der sogenannten Neonicotinoide nicht mehr zum Stock zurückfinden und sterben. Hummelvölker schrumpfen und produzieren weniger Königinnen. Beide Auswirkungen der Pestizide gefährden langfristig das Überleben der Bienen und Hummeln, warnen die Wissenschaftler. Sie könnten zudem für den Kollaps vieler Bienenvölker in den letzten Jahren verantwortlich sein.
Pestizide aus der Klasse der Neonicotinoide sind seit Anfang der 1990er Jahre in Europa und anderen Regionen gängige Spritzmittel gegen Blattläuse und andere Schadinsekten auf Getreide, Raps, Mais, Sonnenblumen und andere Nutzpflanzen. Sie wirken auf das Nervensystem der Insekten und töten sie. Bisher galten diese Mittel als ungefährlich für Bienen. Denn für ihre Zulassung müssen die Hersteller nachweisen, dass die auf den Feldern ausgebrachten Dosierungen die Bienen nicht töten.
Zulassungsrichtlinien nicht streng genug
„Unsere Studie stellt diese Zulassungsrichtlinien für Pestizide in Frage“, sagt Mickäel Henry vom landwirtschaftlichen Forschungszentrum INRA im französischen Avignon, Erstautor der Bienenstudie. Bisherige Tests hätten die Folgen niedrigerer, nicht direkt tödlicher Dosierungen für die Bienen gravierend unterschätzt.
„Es müssen dringend Alternativen zu den Neonicotinoid-Pestiziden entwickelt werden“, warnen auch Penelope Whitehorn von der University of Stirling und ihre Kollegen, die die Wirkung dieser Spritzmittel auf Hummeln untersucht hatten. Sowohl Hummeln als auch Bienen seien für die Bestäubung von Obstbäumen, Gemüse und vielen anderen Pflanzen unverzichtbar. Fehlen sie, tragen die Bäume keine Frucht und viele Gemüsesorten bringen keinen Ertrag mehr.
Bienen mit Mikrochips beim Sammeln verfolgt
Henry und seine Kollegen hatten 653 Bienenarbeiterinnen winzige RFID-Mikrochips auf den Rücken geklebt. Über diese Sender verfolgten die Forscher die Bewegungen der einzelnen Bienen bei ihren Sammelflügen. Einigen dieser Bienen verabreichten die Wissenschaftler eine nicht-tödliche Dosis des Spritzmittels Thiomethoxam, einem häufig eingesetzten Neonicotinoid. Die Dosis entsprach dabei in etwa der Menge, wie sie die Bienen auch über Nektar und Pollen von gespritzten Pflanzen aufnehmen würden.
„Zwischen 10 und 30 Prozent der behandelten Bienen fanden nach Sammelflügen nicht mehr zum Stock zurück“, berichten die Forscher. Das Nervengift beeinträchtige das Heimfindevermögen der Tiere – vor allem, wenn die Futterquelle weiter vom Stock entfernt liege. Dadurch seien signifikant mehr Sammlerinnen gestorben als bei den unbehandelten Kontrolltieren. Mit Hilfe eines Modells berechneten die Forscher, wie sich das Ausfallen der Sammlerinnen auf die Entwicklung des Bienenstocks auswirkt. „Kolonien, die gespritztem Nektar ausgesetzt waren, schrumpften deutlich und erholten sich auch später nicht mehr davon“, schreiben Henry und seine Kollegen.
Hummelnester schrumpfen durch Spritzmittel
Whitehorn und ihre Kollegen hatten Hummelkolonien über 14 Tage hinweg mit Pollen gefüttert, der mit einer niedrigen Dosis des Neonicotinoids Imidacloprid behandelt worden war. Sechs Wochen nach dieser Behandlung waren die behandelten Kolonien bis zu zwölf Prozent kleiner als nicht behandelte Kontrollkolonien. Die Forscher vermuten, dass Nervenschäden die Hummeln beim Futtersammeln beeinträchtigten.
„Die dem Spritzmittel ausgesetzten Kolonien brachten zudem 85 Prozent weniger neue Hummelköniginnen hervor“, berichten die Forscher. Da bei den Hummeln nur die Königinnen den Winter überleben und dann im Frühjahr neue Kolonien gründen, bedeute dies auch 85 weniger Hummelnester im folgenden Jahr. (Science, 2012; doi: 10.1126/science.1215025; doi:10.1126/science.1215039)
(Science, 30.03.2012 – NPO)