Schon Charles Darwin vermutete, dass Riesenschildkröten weite Entfernungen zurücklegen. Jetzt haben Forscher zum ersten Mal bewiesen, dass es stimmt. Mit Hilfe von GPS-Sendern und Feldstudien haben die Wissenschaftler vom Max-Planck Institut und dem Galapagos Nationalpark nun das Wanderverhalten von 17 Tieren über zwei Jahre hinweg untersucht. Dabei fanden sie heraus, dass insbesondere die größeren Exemplare eine Wanderung von bis zu zehn Kilometern in das Hochland der Insel Santa Cruz unternehmen.
Die Galapagos Schildkröte steht unter Artenschutz, bereits fünf der insgesamt 15 bekannten Arten sind ausgestorben. Die ausgewachsenen Männchen erreichen dabei eine Größe von bis zu 130 Zentimetern Panzerlänge und einem Gewicht von 290 Kilogramm, die Weibchen sind etwas kleiner. Sie ernähren sich von Sträuchern, Laub und Gräsern, je nach verfügbarerer Vegetation auf der Insel. In ihrem Lebensraum, der Insel Santa Cruz liegen die Hochlagen der Insel in der kühlen, trockenen Jahreszeit in dichtem Nebel, weshalb dort die Pflanzen trotz Regenmangels wachsen. In den Niederungen gibt es keine dicke Wolkenschicht, und so sind die Futterpflanzen für Schildkröten ab Anfang Juni häufig nicht ausreichend verfügbar. Deshalb wandern die Schildkröten in die Hochregionen. Da das Futter hier allerdings von minderer Qualität ist, machen sich die Panzerträger in der heißen regenreichen Jahreszeit wieder auf den Rückweg in die tiefer gelegenen Gebiete.
Um die Zugmuster der Tiere nun genauer zu untersuchen, befestigten Stephen Blake vom Max-Planck-Institut für Ornithologie und sein Kollege Washington Tapia vom Galapagos-Nationalpark GPS-Sender mit 3D-Beschleunigungsmessern. Diese erlaubten ihnen die genaue Position und das Wanderverhalten zu bestimmen. Zusätzlich notierten die Forscher auf ihren monatlichen Beobachtungsgängen an den Vulkanhängen der Insel Größe, Geschlecht und Aufenthaltsort jeder Schildkröte, die sie antrafen. Die GPS-Daten kombinierten sie mit Temperaturdaten und Informationen über den Zustand der Vegetation sowie ihren Beobachtungen der Tiere, um ein Bild der Gesamtpopulation zu erhalten.
Jungtiere bleiben, große ziehen dem Futter hinterher
Die Ergebnisse zeigen, dass keineswegs alle Tiere wandern. Nur die erwachsenen Schildkröten zieht es in die Hochlagen, wobei die erwachsene Weibchen zunächst bis zur Eiablage im Tiefland bleiben. Die kleineren Schildkröten dagegen bleiben das ganze Jahr über in den niedriger gelegenen Gebieten. Da die Tiere über ein Jahr ohne Nahrung auskommen können, bleibt bis jetzt ein Rätsel, warum sie überhaupt eine solche Strapaze auf sich nehmen. Auch warum Jungtiere nicht wandern, können die Wissenschaftler noch nicht beantworten. „Entweder ist der Energieaufwand dieser strapaziösen Wanderung zu hoch, oder es gibt auch während der trockenen Jahreszeit immer noch ausreichend Futter für so kleine Tiere“, vermutet Blake, „vielleicht halten aber auch Jungtiere das feuchte kalte Klima in den höheren Regionen nicht aus.“
Für die Forscher ist das Wanderungsmuster der Schildkröten besonders deshalb interessant, weil es im Gegensatz zu anderen Tierarten steht. Denn bei diesen vollziehen in der Regel die Jungtiere saisonale Wanderungen. Die dominanten erwachsenen Männchen können sich dagegen am ehesten gegen Konkurrenten behaupten, sie müssen somit nicht fortgehen, um zu überleben.
Um diese Abweichungen vom Üblichen zu verstehen, sollen weitere Studien unterschiedliche Arten der Riesenschildkröte und deren Umgebungen mit einbeziehen. Die Forscher wollen wissen, welche Faktoren ihr Wanderverhalten beeinflussen, um später die durch Jagd und die Einführung fremder Arten wie Ratten und Ziegen bedrohten Galapagos-Schildkröten in ihren Lebensräumen zu schützen. Ein größeres Verständnis der Schildkröten-Wanderungen soll so etwa bei der Einrichtung Schildkröten freundlicher Straßen und grüner Korridore helfen.
(Max-Planck-Gesellschaft, 21.11.2012 – KBE)