Je höher die Bildung von Männern und Frauen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit eines regelmäßigen Alkoholkonsums. Dies hat jetzt eine neue Studie Bayreuther Forscher zum Gesundheitsverhalten in Deutschland enthüllt. Hingegen neigen Menschen mit vergleichsweise guter Ausbildung deutlich seltener zum Rauchen, berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Economics Research International“.
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Alkoholmissbrauch, starkes Rauchen, schlechte Ernährung und Bewegungsmangel fördern nachweislich eine Vielzahl gesundheitlicher Risiken. Detaillierte Informationen über das Gesundheitsverhalten der Deutschen liefert das Sozio-oekonomische Panel (SOEP), eine repräsentative Befragung privater Haushalte, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) seit regelmäßig durchführt.
Udo Schneider und Brit Schneider von der Universität Bayreuth haben nun die SOEP-Daten des Jahres 2006 daraufhin untersucht, ob es erkennbare Zusammenhänge gibt zwischen sozioökonomischen Faktoren, gesundheitlichem Wohlbefinden und Verhaltensweisen, die gesundheitliche Risiken erhöhen.
Überraschende Zusammenhänge
Bei der Auswertung der SOEP-Daten stellte sich heraus, dass das Gesundheitsverhalten der Menschen in Deutschland wesentlich von drei Faktoren beeinflusst wird: Bildungsstand, Erwerbstätigkeit und Einkommen. So verringert sich den Wissenschaftlern zufolge bei Männern und Frauen mit einem vergleichsweise hohen Bildungsstand deutlich die Wahrscheinlichkeit, Raucher zu sein.
Menschen, die keine abgeschlossene Ausbildung haben, neigen hingegen stärker zum Tabakkonsum. Ähnlich verhält es sich mit starkem Übergewicht (Adipositas): Männer und Frauen sind davon seltener betroffen, wenn sie einen Hochschulabschluss haben.
„Vermutlich sind Menschen mit höherer Ausbildung besser über die Gefahren eines starken Tabakkonsums aufgeklärt, so dass sie in dieser Hinsicht risikofreier leben wollen“, meint Schneider. Sie sieht in diesem Befund eine Chance für die Gesundheitspolitik: „Kampagnen, die in allgemeinverständlicher Form über die möglichen Folgen des Rauchens und der Fettleibigkeit informieren, können geeignet sein, zahlreiche Menschen zu entsprechenden Änderungen ihres täglichen Verhaltens zu bewegen.“
Höhere Bildung, mehr Alkohol
Ganz anders sieht es nach den Ergebnissen der Forscher beim Alkohol aus – und zwar bei Männern wie bei Frauen. Je höher der Bildungsstand, desto größer ist hier die Wahrscheinlichkeit eines regelmäßigen Alkoholkonsums. „Es erscheint wenig plausibel, dass Menschen mit einer weit überdurchschnittlichen Ausbildung ausgerechnet in puncto Alkohol schlecht informiert sind“, erklärt Koautor Schneider.
„Näher liegt die Annahme, dass das Wissen um die Risiken der ‚Volksdroge Alkohol‘ durch die gesellschaftliche Akzeptanz verdrängt wird. Gerade in sozialen Milieus mit einem relativ hohen Bildungsstand kommt es nicht selten vor, dass Menschen sich wechselseitig zum Alkoholkonsum animieren.“
Einkommen, Erwerbstätigkeit und Gesundheitsverhalten
Vom Bildungsgrad hängen in Deutschland oft auch der soziale Status und das verfügbare Einkommen ab. Dementsprechend führt die Auswertung der SOEP-Daten durch die Forscher zum Ergebnis, dass Menschen, die in relativer Armut leben, überdurchschnittlich viel Tabak konsumieren. Hier sehen die Wissenschaftler einen Ansatzpunkt für eine staatliche Gesundheitspolitik, die mit dem Ziel, die verhaltensbedingten Krankheitskosten zu senken, Anreize für das Nichtrauchen setzen will. Eine höhere Besteuerung von Tabakwaren könnte dazu beitragen, dass der Anteil der starken Raucher an der Gesamtbevölkerung deutlich sinkt.
Dies gilt wiederum nicht für alkoholische Getränke. Denn Männer und Frauen, die in relativem Wohlstand leben, neigen wiederum zu erhöhtem Alkoholkonsum. Mehr noch: Gerade in Bevölkerungsgruppen mit signifikant höherem Einkommen scheint der Alkoholkonsum, so die Forscher, besonders ausgeprägt – stärker noch als in den mittleren Einkommensgruppen.
Unterschiede zwischen Männern und Frauen
Auffallend sei ein Unterschied zwischen Männern und Frauen hinsichtlich der Fettleibigkeit. Bei Frauen, die über ein höheres Einkommen verfügen, sei die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie unter starkem Übergewicht litten. Bei Männern hingegen ließe sich kein Zusammenhang zwischen der Höhe des Einkommens und einem extrem hohen Körpergewicht feststellen.
Ebenso lässt die Analyse der SOEP-Daten bei Männern keine Abhängigkeiten zwischen der Intensität ihrer Erwerbstätigkeit – Zahl der Arbeitsstunde – und ihrem Alkohol- oder Tabakkonsum erkennen. Der Anteil der Raucherinnen ist in der Gruppe der erwerbstätigen Frauen dagegen laut den Wissenschaftlern überdurchschnittlich hoch.
Die Studie enthüllt zudem, dass Frauen, die über längere Zeit einem starken beruflichen Stress ausgesetzt sind, verstärkt zum Tabak- und Alkoholkonsum neigen. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit unter 42 Stunden sinkt dieses Neigung, und auch starkes Übergewicht ist dann weniger verbreitet.
Gesundheitsverhalten und Wohlbefinden
Die Bayreuther Forscher haben in ihrer Studie auch untersucht, wie sich Alkohol- und Tabakkonsum auf das gesundheitliche Wohlbefinden auswirkt. „Dabei haben wir uns darauf stützen müssen, was die Teilnehmer und Teilnehmerinnen an den SOEP-Studien über ihren eigenen Gesundheitszustand berichten“, so Schneider. „Es ist wissenschaftlich belegt, dass es dabei – abhängig von Geschlecht, Alter und anderen Faktoren – zu Verzerrungen kommen kann. Diese sind aber mittlerweile in der Forschung so systematisch untersucht, dass wir sie bei der Auswertung der SOEP-Daten weitgehend korrigieren konnten.“
Die Wissenschaftler fanden in ihrer Studie wiederum einen geschlechtsspezifischen Unterschied. Häufiges Trinken geht bei Männern danach in der Regel mit der Erfahrung einher, dass sich der Gesundheitszustand verschlechtert. Dagegen scheint es bei Frauen einen positiven Effekt auf das gesundheitliche Wohlbefinden zu geben. Wie aber sind diese abweichenden Selbsteinschätzungen zu erklären?
Moderater Alkoholkonsum kann zum subjektiven Wohlbefinden beitragen
„Ein Grund könnte darin liegen, dass Frauen dazu neigen, schon einen insgesamt moderaten Alkoholkonsum als häufiges Trinken zu bewerten. Ein moderater Konsum aber kann, anders als starkes Trinken, tatsächlich zum subjektiven Wohlbefinden beitragen“, erklärt Schneider. „Dagegen sind Männer möglicherweise geneigt, erst dann von einem häufigen Alkoholkonsum zu sprechen, wenn sie dadurch eine klare Verschlechterung ihres Gesundheitszustands erleben.“
Was das Rauchen betrifft, stimmen Männer und Frauen den Forschern zufolge in der Einschätzung der gesundheitlichen Auswirkungen überein. Sie erleben dadurch keine signifikanten Beeinträchtigungen. Eine wesentliche Ursache hierfür sehen die Wissenschaftler in der Tatsache, dass gesundheitliche Folgen eines starken Tabakkonsums oftmals nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Rauchen stehen, sondern sehr viel später auftreten können – manchmal erst dann, wenn die Betroffenen das Rauchen eingeschränkt oder aufgegeben haben. (Economics Research International, 2012; DOI: 10.1155/2012/135630)
(Universität Bayreuth, 07.03.2012 – DLO)