Biologie

Gecko und Fliege „kleben“ mit Nano-Kontakten

Haftung beruht auf Größenreduzierung und besonderer Form der Kontaktstellen

Hafthaare von Gecko, Fliege, Spinne und Käfer im Vergleich © MPI für Metallforschung

Die Haftstrukturen an den Füßen von Geckos und vielen Insekten bestehen aus nur wenige hundert Nanometer feinen Härchen. Diese Nanostrukturen haben sich vermutlich im Laufe der Evolution entwickelt, um die Haftung der Insekten auf Substraten zu optimieren. Dies zeigen jüngste Forschungen am Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart: Danach hängt eine optimale Haftung davon ab, dass diese Härchen an ihren Kontaktflächen optimal geformt sind.

Doch diese starke Formabhängigkeit kann durch eine Minimierung der Haftkontakte ausgeglichen werden. Denn unterhalb von 100 Nanometer haften die Kontakte optimal – unabhängig von Formveränderungen der Kontaktflächen. Eine optimale, fehlertolerante Haftung lässt sich also über eine Kombination aus Größenreduzierung und Formoptimierung erzielen. Dabei gilt: Je kleiner die charakteristische Größe des einzelnen Haftkontakts, desto weniger wichtig ist seine Form. Das macht auch plausibel, warum Haarkontakte von biologischen Haftungssystemen nur zwischen einigen hundert Nanometern und wenigen Mikrometern groß sind. Diese Erkenntnisse sind wichtig für das Design von Haftsystemen in der Technik. (PNAS, Early Edition, 17. Mai 2004).

Rätsel der optimalen Haftung

Werden zwei Gegenstände durch Haftung oder Adhäsion verbunden, und dann externen Belastungen unterworfen, so können Spannungskonzentrationen in der Nähe der Verbindung auftreten. Erhöht sich die Last weiter, erreicht die Spannungsintensität schließlich ein kritisches Niveau und ein kleiner Riss entsteht. Dieser wird immer größer, bis die Verbindung schließlich bricht. Die Ursache liegt darin, dass nicht das ganze Material in die Haftung einbezogen ist, sondern nur ein kleiner Teil in der Nähe der Spannungskonzentration intensiv belastet wird und sich Risse ausbreiten. Wie man eine robuste und zuverlässige Adhäsion zwischen strukturell unterschiedlichen Bauteilen erreichen kann, ist für Ingenieure bislang ein wenig verstandenes Problem.

Deshalb sind Haftungsmechanismen, die über Jahrmillionen in der biologischen Evolution „erprobt“ und verbessert wurden, nicht nur für Biologen, sondern auch für Ingenieure von Interesse. So haben Geckos und viele Insekten an ihren Füßen haarige Strukturen (so genannte spatulae), die als Haftungsvorrichtungen dienen. Hierbei stellte sich heraus, dass sich die Dichte der Oberflächenhaare mit dem Körpergewicht der Tiere erhöht. Unter allen Tierarten, die man bislang untersucht hat, haben Geckos die höchste Anzahl an spatulae pro Flächeneinheit. Sie sind – im Vergleich zu Fliegen und anderen Insekten – auch relativ schwere Tiere.

Van-der Waals-Kräfte entscheidend

Inzwischen wurde nachgewiesen, dass beim Haftmechanismus der Geckos die so genannten van der Waals-Kräften eine dominierende Rolle spielen. Diese Kräfte entstehen durch kurzzeitig auftretende asymmetrische Ladungsverteilungen um die Atome. Die Tatsache, dass Van-der-Waals-Kräfte eine dominierende Rolle spielen sollen, erscheint zunächst überraschend, denn wir brauchen eine viel größere Kraft, um einen Gecko von der Decke zu ziehen, als unsere Hand vom Tisch zu nehmen, und das, obwohl in beiden Fällen die gleiche van der Waals-Kraft wirkt. Damit stellt sich die Frage, was genau die Stärke der Haftung (Adhäsion) bestimmt. Die chemische Struktur der Materialien jedenfalls kann nicht erklären, warum die gleiche van der Waals-Kraft eine so starke Adhäsion beim Gecko, nicht aber beim Menschen ergibt. Anscheinend hat die Natur andere, ausgefeilte Mechanismen entwickelt, damit bestimmte Tierarten, für die Adhäsion das Überleben ermöglicht, die schwachen van der Waals-Kräfte nutzen können.

H. Gao und H. Yao vom Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart haben jetzt ein Modell für die Haftung zwischen einer einzelnen spatula und einem Substrat entwickelt, das auf van der Waals-Wechselwirkungen beruht. Danach hat die Form der Oberfläche einer spatula großen Einfluss auf die Stärke der Haftung. Die Wissenschaftler zeigen, dass es eine besondere Form der spatulae gibt, bei der – unabhängig von ihrer Größe – in jedem Fall die maximale theoretische Haftkraft erreicht wird. Hat die spatula diese optimale Form, verteilt sich die Haftkraft gleichmäßig über die gesamte Berührungsfläche. Das entspricht optimaler Materialverwendung.

Technik hinkt der Natur hinterher

Doch warum wird eine solche optimale Form bislang in der Technik nicht verwendet? Ein Grund liegt sicherlich darin, dass die maximal erreichbare Haftkraft sehr empfindlich ist gegenüber kleinen Schwankungen in der Geometrie der Haftkontakte. So nimmt die Haftkraft bei einer Faser mit einem Radius von einem Millimeter um mehr als zwei Größenordnungen ab, wenn die Form der Faser nur um etwa ein bis zwei Prozent von ihrer optimalen Form abweicht. Doch die Forscher fanden heraus, dass diese Überempfindlichkeit gegenüber der Form interessanterweise durch Verkleinerung der Größe, also des Durchmessers der Faser, beseitigt werden kann. Verringert sich der Faserdurchmesser auf eine kritische Größe, erreicht die Haftkraft den maximalen theoretischen Wert, unabhängig von kleinen Veränderungen in ihrer Form. Die kritische Längenskala schätzen die Wissenschaftler auf circa 100 Nanometer.

Folglich kann man in der Natur und potenziell auch in der Technik eine optimale Haftung durch eine Kombination von Größenreduzierung und Formoptimierung erreichen. Dabei gilt: Je kleiner die Faser, desto weniger wichtig ist ihre Form. Sind dennoch große Berührungsflächen notwendig, so kann eine optimale Adhäsion erreicht werden, wenn es gelingt, die Form der Haftkontakte in ausreichender Präzision herzustellen. Vom praktischen Standpunkt aus ist es allerdings notwendig, die Berührungsgröße möglichst zu verkleinern, um eine robuste und gleichzeitig optimale Adhäsion zu erreichen. Dieser Zusammenhang zwischen Größenreduzierung und Formoptimierung könnte auch in der Technik wichtige Anwendungen finden.

(MPG, 26.05.2004 – NPO)

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