Süffiger Genuß: Die berühmten belgischen Biere verdanken ihre Geschmacksnoten der einzigartigen Vielfalt ihrer Bierhefen. Denn durch die traditionellen Methoden der belgischen Brauer kommt es bis heute immer wieder zur Einkreuzung von Naturhefen in die Bierhefestämme. Die meisten Lagerbiere gehen dagegen auf einen Hybridstamm zurück, bei dem Gene für die Produktion von fruchtigen oder stark würzigen Aromen verloren gingen – das erklärt den eher herben Geschmack von Pils und Co.
Bierbrauen hat eine lange Tradition: Schon vor 13.000 Jahren brauten Menschen im Nahen Osten das erste Bier und vor 5.000 Jahren gab es Brauereien auch in China und in Ägypten. Für den Gärprozess sorgten Hefepilze, die die warme Maische fermentieren ließen. Im späten Mittelalter jedoch entwickelten süddeutsche Bierbrauer eine ganz neue Brauvariante: Dank einer neuen, durch Kreuzung entstandenen Bierhefevariante konnten sie ihr Bier auch bei kühleren Temperaturen brauen und in kalten Kellern lagern. Damit schufen sie erstmals untergärige Biere wie Lagerbier, Pils oder Schwarzbier.
Blick ins Erbgut der belgischen Bierhefen
Doch auch wenn das deutsche Bier heute in aller Welt bekannt ist – es gibt noch eine Nation, die neue Maßstäbe im Bierbrauen setzte: Belgien. Belgische Biere wie Trappistenbier, Gueuze, Lambic oder Kriek sind für ihre Vielfalt und teils ungewöhnlichen fruchtig-würzigen Geschmacksnoten berühmt. Was aber ist das Geheimnis dieser einzigartigen Biervielfalt?
Um das herauszufinden, hat ein Team um Jan Steensels und Brigida Gallone von der Katholischen Universität Leuven die DNA von 420 Bierhefevarianten analysiert. Schon in einer früheren Studie hatten sie festgestellt, dass die Hefestämme traditioneller belgischer Biere nicht nur Erbgut der domestizierten Bierhefe Saccharomyces cerevisiae enthalten, sondern auch DNA mindestens einer weiteren Hefeart. Welcher, enthüllen nun die neuen Analysen.
Hybrid aus Bierhefe und einer Wildart
Das Ergebnis: „Ein überraschend großer Anteil der sequenzierten Hefeproben waren Hybride aus zwei Arten“, berichten die Forscher. Demnach gehen die traditionellen belgischen Biere auf hybride Hefestämme zurück – ähnlich wie die Lagerbiere, aber mit anderen „Eltern“. Denn in den meisten Trappisten- und Lambicbieren sorgt eine Kreuzung aus domestizierter Bierhefe mit der Wildhefe Saccharomyces kudriavzevii für die Gärung – bei Lagerbieren ist es die eingekreuzte Wildart S. eubayanus.
„Das war schon eine kleine Überraschung für uns“, sagt Gallone. Die Einkreuzung dieser wilden Hefeart geschah wahrscheinlich schon im Mittelalter und ermöglichte es auch den belgischen Bierbrauern, ihre Biere in kalten Klosterkellern zu brauen und zu lagern. „Diese Hefen sind lebende Zeugnisse des Bierbrauens in vorindustrieller Zeit“, sagt Koautor Philippe Malcorps von der Brauerei AB InBev. „Sie sind an die harten Fermentationsbedingungen der Trappistenbiere angepasst und überleben auch die lange Lagerung der Geuze-Biere.“
Größere Vielfalt durch traditionelle Braumethoden
Doch nicht nur das: Auch nach der Entstehung dieser Hybridhefe entwickelten sich die belgischen Bierhefen stetig weiter und bildeten zahlreiche neue Varianten. „Traditionelle belgische Biere beherbergen eine bemerkenswerte Vielfalt von Hefen“, berichten Steensels und seine Kollegen. „Die Nutzung mittelalterlicher Brautechniken wie dem Gären in offenen Bottichen, der langen Fermentierung und der Lagerung in Holzfässern im Braukeller förderten das Überleben einzigartiger Hefehybride.“
So wird beispielsweise beim Brauen von spontangärigen Bieren wie Kriek, Lambic oder Gueuze keine Hefe zugesetzt, sondern es werden die im Braukeller umherfliegenden natürlichen Hefesporen als Gärhilfe genutzt. „Es scheint, dass erst diese einzigartigen natürlichen Hefen die Entwicklung einiger der Biere ermöglichte, für die Belgien so berühmt ist“, sagt Malcorps. Gleichzeitig könnten die nun identifizierten Hefestämme dazu beitragen, in Zukunft noch gezielter neue Biersorten zu kreieren.
Ursprüngliche Aromagene erhalten
Die DNA-Analysen enthüllten auch, warum gerade die belgischen Biere so viele einzigartige Aromen entfalten: Ihre Bierhefen besitzen noch funktionsfähige Gene für die Produktion von Phenolen – Molekülen, die würzige, fruchtige oder heuähnliche Geschmackseindrücke hervorrufen. Die von deutschen Braumeistern entwickelten Lagerbiere dagegen entstehen durch Bierhefen ohne diese Gene. Sie haben im Laufe der Entwicklung die Phenolgene deaktiviert. Das erklärt den herben, klaren Geschmack von Pils, Export und Co. (Nature Ecology & Evolution, 2019; doi: 10.1038/s41559-019-0997-9)
Quelle: VIB (Flanders Institute for Biotechnology)