Auch wer beim Autofahren über eine Freisprechanlage telefoniert, geht ein echtes Risiko ein. Denn unser Gehirn ist offenbar nur begrenzt dazu imstande, gleichzeitig sowohl dem Sehen als auch dem Hören volle Aufmerksamkeit und Leistung zu geben. Eine neue Studie amerikanischer Neurowissenschaftler hat jetzt dafür neue Belege geliefert.
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Steven Yantis, Professor für Hirnforschung und Psychologie an der Johns Hopkins Universität und seine Mitarbeiterin Sarah Shomstein untersuchten die Gehirnaktivität von 19 bis 35 jährigen Probanden mithilfe der funktionellen Magnetresonanz-Tomographie (fMRI). Die Versuchspersonen wurden gebeten, sich schnell verändernde Buchstaben und Zahlen auf einen Computerbildschirm anzuschauen, während drei unterschiedliche Stimmen ihnen per Kopfhörer andere Zahlen und Buchstaben vorlasen.
Es zeigte sich, dass die Gehirnaktivität sich veränderte, je nachdem, welcher Sinneskanal in den Vordergrund der Aufmerksamkeit rückte: Achteten die Probanden primär auf die visuellen Informationen, sank die Aktivität in den für das Hören zuständigen Gehirnregionen deutlich ab, im umgekehrten Fall reduzierte sich die Aktivität im visuellen Kortex. Diese jetzt in der Fachzeitschrift „The Journal of Neuroscience” veröffentlichten Ergebnisse bestätigen die bereits aus früheren verhaltensbiologischen Studien gewonnen Erkenntnisse.
„Wenn wir die Aufmerksamkeit dem Hören zuwenden, regelt dies gleichzeitig die Signalstärke der eintreffenden Signale im visuellen Bereich unseres Gehirn herunter“, erklärt Yantis. „Die Daten, die wir jetzt haben, deuten stark daraufhin, dass unsere Aufmerksamkeit streng limitiert ist – ein Nullsummenspiel. Wenn die Aufmerksamkeit auf einen Kanal gerichtet ist – beispielsweise das Telefonieren mit einem Handy – geht dies auf Kosten eines anderen Sinneskanals – in diesem Fall die visuelle Leistung des Fahrens.“
Die Forscher warfen in ihrer Studie auch einen genaueren Blick in die Gehirnregionen, die die Verlagerung der Aufmerksamkeit steuern. Wenn ein Proband aufgefordert wurde, seine Aufmerksamkeit vom Sehen auf das Hören zu richten, registrierten die Wissenschaftler zu ihrer Überraschung einen Aktivitätspuls im Scheitelbereich und im Stirnlappen der Hirnrinde. Zuvor galten diese Hirnbereiche als nur für visuelle Funktionen zuständig. Nach Ansicht von Yantis könnte es sich hier jedoch m ein „Wechselsignal“ handeln, das die Verlagerung der Aufmerksamkeit auslöst.
„Letztlich wollen wir die Verbindung zwischen den bewussten Willensakten wie beispielsweise der Entscheidung, seine Aufmerksamkeit vom Sehen zum Hören zu verlagern, Veränderungen in der Gehrinaktivität den resultierenden Veränderungen in der Ausführung einer Aufgabe, wie dem Fahren verstehen“, erklärt Yantis. „Ein besseres Verständnis für diese Zusammenhänge von Bewusstsein, Gehirn und Verhalten könnte uns helfen, komplexe Instrumente wie beispielsweise ein Flugzeugcockpit optimal zu designen, aber auch die Diagnose und Behandlung von neurologischen Erkrankungen wie ADHD oder Schizophrenie verbessern.“
(Johns Hopkins University, 22.06.2005 – NPO)