Menschen mit Migräne leide nicht nur ab und zu unter Kopfschmerzen, ihr Gehirn funktioniert auch anders als das von Gesunden. Eine vergleichende Studie deutsch-amerikanischer Forscher belegt, dass die Netzwerk-Aktivität in bestimmten Gehirnregionen auch zwischen den Anfällen deutlich höher ist als normal. Das könnte unter anderem erklären, warum Migräniker sensibler auf bestimmte Reize reagieren.
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Rund zehn Prozent der Bevölkerung leiden unter Migräne, einer neurologischen Erkrankung, die sich typischerweise in wiederkehrenden Kopfschmerzen und Begleitsymptomen wie Lichtempfindlichkeit, Übelkeit oder auch Wahrnehmungsstörungen manifestiert. Ausgelöst kann ein Migräneanfall durch eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Faktoren wie Stress, Schlafmangel oder den weibliche Zyklus, aber auch bestimmte Lebens- oder Genussmittel wie Schokolade, Rotwein, Käse, Alkohol oder Koffein. Welche Mechanismen jedoch genau die Sensibilität für diese Schlüsselreise bewirken und letztlich einen Anfall auslösen, ist bisher nur in Teilen bekannt.
Höhere Netzwerkaktivität bei Migränikern
Ein Forscherteam der Universität von Kalifornien in San Francisco und der Technischen Universität München hat nun festgestellt, dass Migräniker nicht nur während eines Anfalls „anders ticken“ als ihre gesunden Mitmenschen, sondern auch in der scheinbar symptomfreien Zeit dazwischen. In ihren vergleichenden der Gehirnaktivität von gesunden und von Migräne betroffenen Probanden zeigte sich, dass es deutlich messbare Unterschiede zwischen Migränikern und Gesunden gibt – und dies auch außerhalb konkreter Anfälle. Die Forscher entdeckten bei den Migränikern eine erhöhte Netzwerkaktivität – und damit eine stärkere funktionelle Konnektivität – in den auditorischen, visuellen und sensorisch-mototischen Schaltkreisen des Gehirns.
Neuronale Basis für „Migräne-Phänotyp“
„Es gab zunehmend Hinweise darauf, dass die Verarbeitung und Wahrnehmung von sensorischen Reizen auch außerhalb der Migräneanfälle anormal ist“, erklärt Sprenger. „Jetzt bestätigen unsere Ergebnisse, dass die anormale Gehirnaktivität bei Migränikern tatsächlich nicht auf die Anfälle beschränkt ist, sondern dass es eine umfangreiche Veränderung der funktionellen Konnektivität in zahlreichen Vernetzungen gibt, die den Migräne-Phänotyp wiederspiegeln. Das unterstreicht, dass Migräne eine Störung des Gehirns ist.“
Erklärung für Sensibilität außerhalb der Attacken
Die beobachteten Abweichungen in der Hirnaktivität könnten auch erklären, warum Migräniker so anfällig gegenüberspontanen Anfällen sind und so sensibel auf zahllose äußerliche und innere Auslösefaktoren reagieren. „Diese Erkenntnis wurde schon seit einiger Zeit vorhergesehen, sie ist absolut fundamental für unser Verständnis der Migräne“, erklärt David Dodick, Präsident der American Headache Society, auf deren Jahrestagung in Los Angeles die Ergebnisse jetzt vorgestellt wurden. „Das könnte auch die anhaltenden Kopfschmerzen bei einigen Betroffenen erklären, ebenso wie die Persistenz von Symptomen wie der Lichtempfindlichkeit zwischen den Schmerzattacken.“
(American Headache Society, 24.06.2010 – NPO)