Vermutet wurde es schon länger, jetzt ist es sozusagen amtlich: Gehirnzellen leben länger, wenn das Gehirn ständig gefordert ist. Neurobiologen haben festgestellt, dass die Hirnaktivität ein spezielles genetisches Programm in Gang setzt. Dieses aktiviert wiederum Schutzgene, die das Überleben der Zellen deutlich verstärken. Die in der Fachzeitschrift „PLoS Genetics“ veröffentlichten Forschungsergebnisse eröffnen neue Perspektiven für therapeutische Ansätze zur Behandlung degenerativer Erkrankungen des Nervensystems.
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Das Absterben von Nervenzellen zum Beispiel als Folge von Alterungsprozessen oder der Alzheimer-Krankheit kann zu erheblichen Einschränkungen der Gedächtnisleistung führen – mit oft dramatischen Auswirkungen auf den Alltag und die Lebensqualität der Betroffenen. Ein Wissenschaftlerteam der Universität Heidelberg unter der Leitung von Professor Hilmar Bading hat jetzt ein neuroprotektives Genprogramm entdeckt, das die Überlebensfähigkeit von Nervenzellen deutlich verstärkt.
Stimulation aktiviert Schutzgene
Das Programm wird von Nervenzellen selbst gesteuert und immer dann aktiviert, wenn Zellen von ihren Nachbarn im Nervenzellnetzwerk stimuliert werden. Eine solche Stimulation der Gehirnzellen findet beispielsweise dann statt, wenn äußere Reize verarbeitet werden müssen oder Gedächtnis- und Lernleistungen gefordert sind. Auf molekularer Ebene wird der Schutzmechanismus durch Kalzium angeschaltet, das nach Aktivierung der Nervenzellen in diese einströmt, bis in den Zellkern vordringt und dort das Ablesen der Überlebensgene hochreguliert.
Im Alter und auch bei neurodegenerativen Erkrankungen ist dieser Kalzium-Schalter im Zellkern aufgrund eingeschränkter Gehirnaktivität nicht mehr voll funktionsfähig, so vermutet Bading. Das vermindert die Expression der aktivitäts-gesteuerten Überlebensgene und führt letzlich zum Absterben von Nervenzellen.
Ansatz für Therapien
„Unsere Forschungsergebnisse eröffnen einerseits neue Perspektiven für therapeutische Ansätze zur Behandlung degenerativer Erkrankungen des Nervensystems. Anderseits liefern sie die wissenschaftliche Grundlage für etwas, was wir eigentlich schon immer wussten: ein aktives Gehirn lebt länger“, betont der Heidelberger Wissenschaftler, der Geschäftsführender Direktor des Interdisziplinären Zentrums für Neurowissenschaften ist.
(Universität Heidelberg, 18.08.2009 – NPO)