Happy End für gelähmten Affen: Nach fast zehn Jahren langer Therapie kann Schimpansen-Männchen Reo wieder laufen. Für die Rehabilitation des in Gefangenschaft lebenden Primaten setzten Forscher erstmals eine aufwändige Methode ein – und nutzten dafür Computer und Touchscreens. Wie sie Reo mithilfe dieser Technik bewegungsfähig machten, erzählen sie nun im Fachmagazin „Primates“.
Die Geschichte von Reos Heilung begann mit einem erschreckenden Erlebnis vor knapp zehn Jahren. Am 16. September 2006 fanden die Pfleger des in einer Forschungsstation in Kyoto lebenden Schimpansen ihren Schützling völlig bewegungslos auf dem Boden vor. Der 24 Jahre alte Affe lag auf dem Rücken und war offensichtlich nicht in der Lage, seine Position zu verändern.
Reo soll laufen lernen
Die Diagnose war schnell gefunden: Die plötzliche Lähmung hatte wohl eine Entzündung des Rückenmarks ausgelöst, berichten die Wissenschaftler um Yoko Sakuraba vom Primate Research Institute an der Kyoto University. Die Prognose für Reo sah zunächst düster aus. Vierzehn Monate lang blieb der Schimpanse vollständig unbeweglich. Freiwillige Helfer kümmerten sich Tag und Nacht um das gelähmte Tier.
Erst nach und nach gewann der Schimpanse einen Teil seiner Beweglichkeit zurück, konnte schließlich immerhin sitzen und sich mit seinen Armen hochziehen. Doch mit diesen kleinen Erfolgserlebnissen wollte sich sein Pflegerteam nicht zufriedengeben. Um ihn wieder vollständig in den Gruppenverband der anderen in der Station lebenden Schimpansen integrieren zu können, sollte Reo wieder laufen lernen.
Langer Weg zur Belohnung
Doch wie konnte das gelingen? Als nützlich erwies sich nun, dass Reo bereits Erfahrungen mit Computern und Touchscreens gemacht hatte. Das Team um Sakuraba hatte für seine Forschung damit unter anderem die Kognition des Affen auf die Probe gestellt. Jetzt wollten sie den gleichen Ansatz nutzen, um ihn in Bewegung zu bringen.
Die Forscher versuchten Reo dazu zu animieren, an dem Touchscreen kognitive Aufgaben zu lösen. Der Clou: Jedes Mal, wenn er eine Übung erfolgreich bewältigt hatte, stellten sie Reo eine schmackhafte Belohnung bereit – allerdings auf der anderen Seite des Raumes. „Das bedeutete, dass sich Reo mindestens zwei Meter weit bewegen musste, um an die Leckerei heranzukommen. Und um eine neue Aufgabe am Bildschirm zu beginnen, musste er die gleiche Strecke auch wieder zurückschaffen“, schreiben die Wissenschaftler.
Tatsächlich ließ sich Reo nach anfänglichen Schwierigkeiten auf dieses Spiel ein – und es ermutigte ihn, sich immer wieder an zuvor unmöglichen Bewegungsabläufen zu versuchen. Wie die Forscher berichten, nutzte er zunächst noch Seile, um sich voranzuziehen. Später rutschte er dann schon selbständig in einer sitzenden Position vorwärts und begann schließlich ohne Hilfe normal zu laufen.
„Euthanasie war keine Option“
Erstmals haben Wissenschaftler damit einen paralysierten Schimpansen mit einer cleveren Strategie und ganz viel Geduld rehabilitieren können. Bei anderen Tieren in einer ähnlichen Situation wäre es vermutlich niemals soweit gekommen: „Normalerweise heißt die Lösung in einem solchen Fall Euthanasie. Zum einen, weil man den Tieren unnötige Qualen ersparen will, zum anderen, weil die intensive Pflege eines behinderten Tieres extrem teuer ist“, sagt Sakuraba.
Reo aber habe Glück gehabt: „Für keinen der freiwilligen Pfleger war das Einschläfern eine Option“, so Sakuraba weiter. Vor allem Reos Verhalten habe das Team motiviert, immer weiter zu machen. „Selbst in den schwierigsten Zeiten hat er nie Anzeichen einer Depression gezeigt.“ (Primates, 2016; doi: 10.1007/s10329-016-0541-3)
(Springer/ Primates, 06.07.2016 – DAL)