Mikrobiologie

Genom-Katalog der irdischen Mikrobiome

Bakteriengemeinschaften in Böden, Meeren und auf Lebewesen analysiert

Mikroben
Einen ersten Einblick in die weltweite Bakterienvielfalt gibt der erste Genkatalog der irdischen Mikrobiome © Yuri_Arcurs/ iStock.com

Allgegenwärtig: Bakterien besiedeln weltweit fast alle denkbaren Lebensräume – sei es die Wüste, die Tiefsee oder der menschliche Körper. Anhand umfangreicher Genomanalysen haben Forscher nun über 50.000 Bakterien und Archaea katalogisiert. Ihre Aufstellung enthält nicht nur tausende bislang unbekannte Spezies. Sie kann auch bei der Erforschung von Krankheiten und Medikamenten helfen, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Biotechnology“ berichten.

Bakterien sind für uns in vieler Hinsicht relevant: Sie können uns krankmachen, aber auch lebensrettende Arzneistoffe produzieren. In den Böden unserer Äcker beeinflussen sie das Pflanzenwachstum und in unserem Darm helfen sie uns bei der Verdauung. Gleichzeitig ist bislang erst ein Bruchteil der mikrobiellen Vielfalt bekannt – selbst im Central Park in New York oder in unserer Nase entdecken Forscher neue Bakterienarten oder bakterielle Wirkstoffe.

Metagenomik als Grundlage

Seit mehreren Jahren gibt es Ansätze, die Bakterien der Welt in einer Art Atlas zu katalogisieren. Ein Team um Stephen Nayfach vom DOE Joint Genome Institute in Berkeley hat nun die bisher umfangreichste Analyse bakterieller Genome vorgelegt. Dazu nutzten die Forscher Daten aus sogenannten Metagenomen, die die genetischen Informationen vieler verschiedener Spezies vereinen.

„Viele Mikroorganismen lassen sich bisher nicht kultivieren“, erklären die Forscher. „Sie sind nur mit molekularen Ansätzen zugänglich, die keine Kultivierung erfordern. Ein solcher Ansatz ist die Metagenomik.“ Dabei wird das genetische Material direkt aus Umweltproben gewonnen und analysiert, ohne dass zuvor einzelne Spezies isoliert und vermehrt werden müssen.

Nayfach und sein Team griffen auf über 10.000 Metagenome aus ganz unterschiedlichen Lebensräumen zurück: Naturbelassene und landwirtschaftlich genutzte Böden auf allen Kontinenten, die Ozeane der Welt, der Verdauungstrakt von Kühen und der menschliche Körper. Daraus rekonstruierten sie über 50.000 Genome der Mikroorganismen in diesen Lebensräumen und erstellten Stammbäume für sie. Dazu verglichen sie die Daten aus den Metagenomen mit bereits bekannten Bakteriengenomen, die sie als Referenz nutzten.

Unerkannte Vielfalt

Ihre Ergebnisse bilden die Grundlage für den Katalog „Genomes from Earth’s Microbiomes“ (GEM). Sein Inhalt bestätigt, dass ein Großteil der irdischen Mikrobenvielfalt noch unentdeckt ist. Die Forscher identifizierten tausende neuer Arten, Gattungen und Ordnungen und sogar mehr als 400 zuvor unbekannte Klassen von Bakterien. „Der Katalog erweitert die bekannte phylogenetische Vielfalt von Bakterien und Archaeen um 44 Prozent“, berichten die Forscher.

Bei den neuen Arten, aber auch bei einem Großteil der bereits früher über ihre Gene aufgespürten Mikroben, ist bisher kaum etwas über ihre Lebensweise oder Stoffwechselaktivitäten bekannt. „Bei fast 70 Prozent der von uns anhand der Genome identifizierten bakteriellen Protein-Cluster gibt es bisher keine funktionelle Einordnung“, berichten Nayfach und seine Kollegen.

Wertvolle Informationen für die Arzneistoff-Suche

Der neue Mikrobiom-Katalog erweitert nicht nur die die Kenntnis der mikrobiellen Lebenswelt, er kann auch für die Medikamentenforschung interessant sein. Der Fokus liegt dabei auf sogenannten Sekundärmetaboliten – biologischen Substanzen wie Antibiotika, die Bakterien zum Beispiel zu ihrer eigenen Verteidigung herstellen.

„Die meisten Sekundärmetaboliten wurden bisher aus kultivierten Bakterien isoliert, die nur einer Handvoll Bakteriengruppen angehören“, so die Forscher. „Der GEM-Katalog bietet eine einzigartige Gelegenheit, das Repertoire von Sekundärmetaboliten zu erkunden, die in dieser taxonomisch und biogeografisch vielfältigen Genomsammlung kodiert sind.“

Hinweise auf neue Krankheitserreger und Bakteriophagen

Auch in Bezug auf bislang unentdeckte Krankheitserreger gibt der Katalog Aufschluss. „Unter anderem haben wir eine neue Spezies der Gattung Coxiella entdeckt, die mit Coxiella burnetii verwandt ist“, berichten die Forscher. Coxiella burnetti löst das sogenannte Q-Fieber aus und wird als mögliche bioterroristische Waffe gelistet.

Zusätzlich untersuchten die Forscher die Metagenome auf virales Erbgut. Viele Viren nutzen Bakterien als Wirt und tatsächlich konnte das Team zahlreiche Virus-Wirt-Beziehungen identifizieren.

„Wir haben gezeigt, dass der GEM-Katalog ein großes Repertoire an Sekundärmetaboliten enthüllt und außerdem dazu geeignet ist, Virus-Wirt-Beziehungen zu erforschen. Daher gehen wir davon aus, dass der Katalog eine wertvolle Ressource für zukünftige Forschungen sein wird,“ so die Forscher. (Nature Biotechnology, 2020, doi: 10.1038/s41587-020-0718-6)

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