Wissenschaftler haben ein Gen entdeckt, das normalerweise für die korrekte Verteilung der Chromosomen bei der Zelteilung sorgt. Fehlt es, sind Fehlverteilungen und damit oft auch Krebs die Folge. Die jetzt in „Nature Cell Biology“ veröffentlichte Entdeckung gibt daher wichtige Impulse für die Krebsforschung.
Wenn sich Körperzellen teilen, werden die zuvor verdoppelten Chromosomen normalerweise gleichmäßig auf die beiden Tochterzellen verteilt. Doch dabei kann es Pannen geben: Eines der Hauptkennzeichen menschlicher Krebserkrankungen sind Chromosomen-Fehlverteilungen, die während der Kernteilung entstehen. Wie diese Fehler passieren, das wollte ein Team von Forschern aus Marburg, Jena, Heidelberg und Berlin herausfinden. „Wir wollten Gene identifizieren, die häufig in Tumoren inaktiviert sind und deren Inaktivierung zu Chromosomen-Fehlverteilungen führt“, erläutert der Marburger Krebsforscher Holger Bastians, der Seniorautor und Koordinator der Studie.
Gen CHK2 als Kandidat
Einen Anhaltspunkt für ihre Suche gab es bereits: Schon frühere wissenschaftliche Ergebnisse brachten das Gen CHK2 mit verschiedenen Krebserkrankungen in Verbindung. Die Forschergruppe untersuchte nun Lungen-Tumorgewebe von über 100 Patienten, bei denen Chromosomen-Fehlverteilungen sehr häufig vorkommen. Dabei zeigte sich, dass das Gen bei über der Hälfte der Proben fehlte; die Marburger Wissenschaftler vermuten daher, CHK2 könne ein wichtiger Tumorsuppressor bei Lungenkrebs sein. Bislang ging man davon aus, dass das Genprodukt von CHK2 lediglich daran beteiligt ist, wenn Zellen auf eine Beschädigung der Erbsubstanz DNA reagieren.
Spindelapparat fehlerhaft
Die aktuelle Veröffentlichung belegt nun eine neue Funktion des Enzyms, nämlich für den ordnungsgemäßen Verlauf der Mitose: Wenn CHK2 fehlt, bilden menschliche Kulturzellen den so genannten Spindelapparat nicht korrekt, der die Chromosomen auf gegenüberliegende Seiten der sich teilenden Zelle zieht. Dadurch kommt es zu einer fehlerhaften Verteilung der Chromosomen, wie sie für Tumore typisch ist.
Brustkrebs-Gen involviert
CHK2 wirkt dabei nicht alleine, sondern modifiziert den Tumorsuppressor BRCA1, „der sehr häufig in Brusttumoren inaktiviert ist“, wie Bastians erklärt. Er und seine Kollegen konnten zeigen, dass die Modifzierung von BRCA1 durch CHK2 essentiell ist, um eine korrekte Chromosomenverteilung sicherzustellen. Der Marburger Arbeitsgruppenleiter, der durch ein Heisenberg- Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird, plant nun, näher zu untersuchen, welche Funktionen die beiden Gene beim mitotischen Spindelaufbau erfüllen. Außerdem möchte er herausfinden, ob sich ihr Fehlen „auch therapeutisch ausnutzen lassen könnte“.
(Philipps-Universität Marburg, 19.04.2010 – NPO)