Schon seit längerem ist bekannt, dass Placebos – wirkungslose Pseudomedikamente – bei einigen Menschen besser wirken als bei anderen. Warum, das haben jetzt schwedische Forscher geklärt: Sie entdeckten Genvarianten und einen speziellen Mechanismus im Gehirn, die die individuelle Reaktion auf ein Placebo beeinflussen. Ihre Studie ist in der Fachzeitschrift „Neuroscience“ erschienen.
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Die klassischen Tests für eine Medikamentenzulassung umfassen meist klinische Studien, in denen die Wirkung des Testprodukts gegen ein Placebo, ein Pseudomedikament getestet wird. Bekannt ist dabei bereits, dass bei solchen Tests meist rund ein Drittel der Personen in der Placebo-Gruppe ebenfalls positive Wirkungen erfahren – allein der Glaube daran, ein wirksames Medikament zu erhalten, reicht bei ihnen offenbar für einen Effekt aus.
Test an Personen mit Angststörung
Aber warum sprechen nur einige Menschen auf diesen Placeboeffekt an? Das Wissenschaftler der Uppsala Universität unter Leitung des Psychologen Tomas Furmark und der Gothenburg Universität in ihrer Studie herausfinden. Die Wissenschaftler führten ein Experiment an 108 Freiwilligen durch, die unter sozialer Phobie, einer dauerhaften Angst vor Kontakt mit anderen Menschen und vor deren Bewertungen, litten.
Den Probanden wurde suggeriert, sie würden an einer Wirksamkeitsstudie für ein Medikament gegen die Ängste teilnehmen. Nur ein Viertel der Teilnehmer erhielten jedoch tatsächlich den Wirkstoff, der Rest erhielt ein Placebo, eine unwirksame Zuckerpille. Bei dieser Doppelblindstudie wussten weder die Teilnehmer noch die Wissenschaftler, wer welches Mittel erhielt.
Nach acht Wochen der Behandlung wurden die Versuchsteilnehmer einer für sie extrem angstauslösenden Situation ausgesetzt: Sie mussten eine mündliche Präsentation zu einem Thema. Währenddessen beobachteten die Forscher die Aktivität der Präsentierenden mittels Positronenemissions-Tomografie (PET). Bei der Auswertung der Ergebnisse zeigte sich, dass 40 Prozent der Teilnehmer in der Placebo-Gruppe die gleiche angstmindernde Wirkung erfuhren wie die Personen, die den echten Wirkstoff erhalten hatten.
Placebo beeinflusst Hirnaktivität
Interessant wurde es, als die Wissenschaftler die Gehirnaktivität der auf das Placebo reagierenden mit der der restlichen Probanden verglichen: Das PET ergab eine signifikante Reduktion der Aktivität in der Amygdala, dem Mandelkern, einer Region, die als Schlüsselfaktor für die emotionale Reaktion gilt. Aus früheren Studien ist bekannt, dass sowohl Wirkstoffe, die den Stoffwechsel des Botenstoffs Serotonin beeinflussen, als auch Verhaltenstherapie, ebenfalls Veränderungen in dieser Hirnregion auslösen und damit Phobien lindern können. „Die erfolgreiche Placebo-Behandlung wirkt offenbar durch den gleichen Mechanismus im Gehirn“, erklärt Furmark.
Genvariante für Placeboanfälligkeit verantwortlich
Und noch eine Überraschung entdeckten die Wissenschaftler, diesmal im Erbgut der Probanden: Sie analysierten zwei Gene, die die Wiederaufnahme und Synthese von Serotonin im Gehirn beeinflussen, das Serotonin-Transporter-Gen und das Tryptophan-Hydroxylase-2-Gen. Dabei stellte sich heraus, dass nur die Personen, die beim Placebo eine Wirkung erfahren hatten, auch bestimmte Varianten dieser Gene besaßen. Darüberhinaus konnten die Forscher sogar aus der jeweils vorhandenen Variante des Tryptophan-Gens vorhersagen, wie stark die angstmindernde Wirkung des Placebos bei der Person gewesen war.
Für die klassischen Medikamentenstudien hat dies weitreichende Auswirkungen. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Belege dafür, dass eine Behandlung besser wirkt als ein Placebo stark durch die Genvariante der Studienteilnehmer beeinflusst wird“, so Furmark. „Es ist auch möglich, dass diese Gene erklären können, warum einige Menschen besser oder schlechter auf angstmindernde Wirkstoffe und Psychotherapie reagieren als andere.“
(Uppsala University, 05.12.2008 – NPO)