Eine genetische Ursache für die Störung der Signalweiterleitung in Zellen haben Forscher des Biozentrums Innsbruck und der Medizinischen Hochschule Hannover in Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg entdeckt. Ist aufgrund eines Erbgutdefektes der zelluläre Adapter p14 nicht in ausreichenden Mengen vorhanden, führt dies zu Unordnung in der Zelle. Dadurch sind wichtige Akteure für die Weiterleitung von Signalen nicht mehr zur rechten Zeit am rechten Platz – für betroffene Patienten resultiert daraus eine komplexe Störung des Immunsystems.
Die Entdeckung ist von großer Bedeutung, da Zellzyklus- und Differenzierungsstörungen bei vielen Krankheiten, wie zum Beispiel Krebs, eine entscheidende Rolle spielen, so die Wissenschaftler in den Zeitschriften Nature Medicine und The Journal of Cell Biology.
Die Zellen eines Organismus empfangen laufend eine Vielfalt an Signalen aus ihrer Umgebung. Eiweißmoleküle an der Zelloberfläche registrieren diese Signale und leiten sie ins Innere der Zelle weiter, wo sie aufgenommen, interpretiert und verarbeitet werden. Je nach Art des Signals werden die Zellen dazu angeregt, zu wachsen, zu differenzieren, sich zu teilen oder aber durch programmierten Zelltod abzusterben. Entgleisen diese komplexen Prozesse, so entstehen Krankheiten wie Krebs oder Immunstörungen.
Die Wissenschaftler um Professor Lukas Huber vom Biozentrum der Medizinischen Universität Innsbruck sind überzeugt, dass die räumliche und zeitliche Verteilung der an der Signalweiterleitung beteiligten Akteure von entscheidender Bedeutung sind: "Gerät diese genau definierte Ordnung innerhalb der Zelle durcheinander, dann kommt es zu krankhaften Veränderungen", erklärt Huber. "Wir wollen deshalb lernen, wie die Signale in der Zelle räumlich und zeitlich verteilt werden."
Genetisch bedingte Erkrankung
Die Bedeutung dieser neuen Forschungsrichtung wurde deutlich, als die Forschergruppe um Professor Dr. Christoph Klein von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) auf ein Gen aufmerksam wurde, das für den Zelladapter p14 verantwortlich ist. Die Ärzte der Abteilung Kinderheilkunde, Pädiatrische Hämatologie und Onkologie der MHH hatten eine neue Immundefekterkrankung identifiziert, die durch Wachstums- und Immunstörungen sowie Albinismus gekennzeichnet ist. Kleinste Infektionen genügen, um das Leben der Patienten zu gefährden.
In einer langjährigen Suche nach der genetischen Ursache wandten sie neue molekularbiologische Methoden an und konnten in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe um Dr. Bodo Grimbacher von der Universität Freiburg und dem Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung Braunschweig Veränderungen nachweisen, die zur Folge hatten, dass der Zelladapter p14 nur mehr in ganz geringen Mengen vorhanden war. Aufgrund dieses Gendefektes sind die weißen Blutkörperchen der betroffenen Patienten in ihrer Zahl erniedrigt und in ihrer Funktion gestört.
Langfristige Forschungsperspektive
Im Rahmen des Spezialforschungsbereichs "Zellproliferation und Zelltod in Tumoren" entwickelte Huber in Innsbruck in über vierjähriger Kleinarbeit ein neues, innovatives Mausmodell. "Dieses Modell erlaubt es uns, bestimmte Gene in einzelnen Organen oder Zelltypen spezifisch auszuschalten", erklärt Huber. Damit konnten die Innsbrucker Forscher nun die bei den deutschen Patienten beobachteten Ergebnisse in der Maus gezielt reproduzieren.
"Es gelang uns der eindeutige Nachweis", so Huber, "dass das Fehlen des Adapters p14 zu einem heillosen Chaos in der Zelle führt. Die vom Adapter in Position gebrachten Gerüstproteine sind plötzlich nicht mehr an ihrem Platz. Und dadurch wird die von den Gerüstproteinen unterstütze Signalweiterleitung durch Kinasen unterbrochen." Damit liefern die Wissenschaftler auch ein potentielles Ziel für die Therapie dieser bisher unbekannten Krankheit.
Klein, ein Krebsspezialist und Experte der Stammzell- und Gentherapie, sieht nun nicht nur Chancen in der Entwicklung einer gezielten Gentherapie für die betroffenen Patienten, sondern auch neue Ansatzpunkte für neue Medikamente in der Therapie von Tumorpatienten.
"Die fächerübergreifende internationale Zusammenarbeit war entscheidend für diesen Forschungserfolg" betonen Klein und Huber, die in ihrer wissenschaftlichen Zusammenarbeit in der Zukunft noch viele spannende Ergebnisse erwarten.
Die Daten zum Zellzyklus- und Differenzierungsdefekt und dem verwendeten Mausmodell haben die Wissenschaftler im Dezember im Journal of Cell Biology veröffentlicht. Die Übertragung dieses Wissens auf die klinische Bedeutung für das Immunsystem wird nun in der Zeitschrift Nature Medicine ausführlich dargestellt.
(idw – Medizinische Hochschule Hannover/Biozentrum Innsbruck, 03.01.2007 – DLO)