Fund im Erbgut: Forscher haben erstmals Gene für die Linkshändigkeit identifiziert. In der bisher größten DNA-Studie dazu fanden sie vier Genorte, die bei Linkshändern signifikant häufig verändert sind. Drei dieser Genregionen stehen in engem Zusammenhang mit Hirnentwicklung und beeinflussen offenbar auch die funktionelle Verknüpfung der Sprachzentren beider Hirnhälften, wie die Wissenschaftler berichten.
Rund zehn Prozent der Menschen sind Linkshänder – doch was genau hinter dieser Bevorzugung der linken Hand bei alltäglichen Tätigkeiten steckt, ist bislang nur teilweise geklärt. So gibt es Hinweise darauf, dass vorgeburtliche Prägungen eine Rolle spielen und sogar die Jahreszeit der Geburt. Beides geht möglicherweise auf hormonelle Einflüsse auf das Ungeborene zurück. Gleichzeitig deuten Zwillingsstudien und familiäre Häufungen aber auch darauf hin, dass die Linkshändigkeit zu rund 25 Prozent erblich bedingt sein könnte.
DNA-Vergleich mit knapp 40.000 Linkshändern
Doch welche Gene und Genorte hinter der Linkshändigkeit stecken, war bisher unbekannt. Jetzt bringt die bisher umfangreichste genetische Vergleichsstudie mehr Licht ins Dunkel. Akira Wiberg von der University of Oxford und ihre Kollegen verglichen dafür Unterschiede in einzelnen DNA-Basen bei mehr als 38.000 Linkshändern und rund 350.000 Rechtshändern, deren Erbgut in der britischen UK Biobank erfasst ist.
Zusätzlich jedoch untersuchten die Wissenschaftler Scans der Hirnaktivität von 721 linkshändigen und 6.685 rechtshändigen Teilnehmern. Die Aufnahmen mittels funktioneller Magnetresonanz-Tomografie (fMRT) erlaubten ihnen Rückschlüsse darauf, ob und wie sich die funktionellen Verknüpfungen im Gehirn der Linkshänder von dem der Rechtshänder unterschiedet – und ob es dabei einen Zusammenhang mit bestimmten Genen gibt.
Vier Genorte sind bei Linkshändern anders
Das Ergebnis: Die Forscher entdeckten vier Genorte, die sich bei Linkshändern signifikant oft von den DNA-Sequenzen der Rechtshänder unterschieden. Von diesen vier Genregionen sind drei eng mit der Gehirnentwicklung verknüpft, wie Wiberg und ihre Kollegen berichten. „Dies ist die erste Studie, die genomweit signifikante Genorte für die Händigkeit in der allgemeinen Bevölkerung identifiziert“, so die Wissenschaftler.
Die vier Genorte enthalten Bauanleitungen für Proteine, die unter anderem die Struktur des Gehirns und die Ausbildung bestimmter Hirnzellen und ihrer Stützstrukturen, der Mikrotubuli, beeinflussen. Gleichzeitig jedoch sind die vier Linkshänder-Gene mit einigen neurologischen Erkrankungen verknüpft. „Es ist bemerkenswert, dass diese Genorte stark positiv mit Schizophrenie korreliert sind und negativ mit der Parkinson-Erkrankung„, berichten die Forscher. Das bestätigt frühere Studien, nach denen Linkshänder ein leicht erhöhtes Risiko für Schizophrenie besitzen.
Sprachzentren enger verknüpft
Weitaus relevanter für den Alltag ist jedoch dies: Wie die Forscher feststellten, stehen die Linkshänder-Genorte in engem Zusammenhang mit auffälligen Unterschieden in der funktionellen Verknüpfung bestimmter Hirnregionen. „Wir haben entdeckt, dass die Sprachregion der linken und rechten Hirnhälften bei Linkshändern koordinierter miteinander kommunizieren als bei Rechtshändern“, erklärt Wiberg.
Das bestätigt frühere Funde, nach denen sich Linkshänder-Gehirne gerade bei der Sprachverarbeitung und der Aufgabenteilung der Sprachzentren von denen der Rechtshänder unterscheiden. So scheint die Asymmetrie der Hirnhälften zumindest bei einigen Linkshändern weniger stark ausgeprägt zu sein. Die jetzt nachgewiesene stärkere funktionelle Verknüpfung zwischen den Sprachzentren der linken und rechten Seite untermauern dies.
Gene und Entwicklungsbiologie wirken zusammen
„Das weckt die spannende Möglichkeit, dass Linkshänder einen Vorteil haben könnten, wenn es um verbale Aufgaben geht“, sagt Wiberg. „Allerdings müssen wir dabei beachten, dass es hier um durchschnittliche Unterschiede bei einer großen Zahl von Menschen geht – und nicht alle Linkshänder sind gleich.“ Künftige Studien haben nun jedoch in den Konnektivitätsdaten und den vier Genorten wertvolle Ansatzpunkte für tiefergehenden Untersuchungen.
„Wir haben demonstriert, dass die Linkshändigkeit eine Folge der Entwicklungsbiologie unseres Gehirns ist – und dass sie in Teilen vom komplexen Wechselspiel mehrerer Gene bestimmt wird“, sagt Seniorautor Dominic Furniss von der University of Oxford. „Sie ist damit Teil der reichen Vielfalt, die uns zu Menschen macht.“ (Brain, 2019; doi: 10.1093/brain/awz257)
Quelle: UK Research and Innovation