Die genetischen Ursachen des Autismus sind komplexer als bisher angenommen: Es gibt nicht nur einige wenige auslösende Gene. Stattdessen wirken viele kleine Veränderungen im Erbgut eines Kindes zusammen und verursachen so die Entwicklungsstörung. Die meisten dieser Mutationen sind dabei nicht über Generationen vererbt, sondern entstehen erst in den Spermien und Eizellen der Eltern oder im Genom des Kindes. Zu diesem Ergebnis kommen gleich drei im Fachmagazin „Nature“ veröffentlichte Studien.
Autismus sei daher wahrscheinlich am ehesten als Regenschirm-Störung zu beschreiben, sagen die Forscher. Auf molekularer Ebene gebe es nicht den einen Autismus, sondern zahlreiche ganz unterschiedliche Autismusformen und -ursachen. „Wie viele genetisch bedingte Krankheiten beruht auch der Autismus auf der Aktivität vieler Gene“, sagt Mark Daly vom Broad Institute des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, der Leiter einer der Studien.
Kleine Fehler im Netzwerk
Aus den Daten aller drei Studien ergeben sich nur drei Mutationen, die für sich genommen Autismus auslösen könnten. Doch diese Gene fanden die Forscher nur in weniger als einem Prozent der untersuchten autistischen Kinder. Die meisten der mehr als 200 neu entdeckten Punktmutationen im Erbgut würden für sich genommen keine ausreichend starken Störungen auslösen, berichten die Wissenschaftler. Wie sie herausfanden, sind 49 der veränderten Gene aber über ihre Produkte verbunden: Sie produzieren ein eng miteinander verknüpftes Netzwerk aus Proteinen.
Dieses Netzwerk wiederum reguliert zum einen die Verpackung und Form des Erbgutmoleküls DNA, zum anderen spielt es eine Rolle für die Bildung von Gehirnzellen und ihrer Verknüpfungen. Bei Kindern mit Autismus seien häufiger Gene aus diesem Netzwerk gestört, sagen die Forscher. Aber bisher lasse sich auch bei diesen kein gemeinsamer Mechanismus finden. „Bisher haben wir erst die Oberfläche angekratzt“, sagt Daly.