Genetik

Gennetzwerk mit schuld an Diabetes

Studie unterstreicht Bedeutung der Makrophagen in der Krankheitsentstehung

Diabetes Typ 1 ist eine noch unheilbare Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstört. Diabetes-Kranke müssen deshalb ihr Leben lang Insulin spritzen. Ein internationales Wissenschaftlerteam hat nun erstmals ein ganzes Netzwerk an Genen aufgedeckt, das an der Entstehung des insulinabhängigen Typs der Zuckerkrankheit beteiligt ist.

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Zudem identifizierten die Forscher den Rezeptor, der dieses Netzwerk steuert, berichtet das Wissenschaftsmagazin „Nature“ in seiner aktuellen Ausgabe.

Transkriptionsfaktoren schalten Gene an und ab

Ob ein Gen abgelesen und in das entsprechende Proteinprodukt übersetzt wird oder nicht, ist unter anderem abhängig von so genannten Transkriptionsfaktoren. Diese binden an regulatorische Regionen eines Gens und können es auf diese Weise stilllegen oder in der gewünschten Stärke ablesen lassen.

Doch reguliert ein Transkriptionsfaktor in der Regel nicht nur einzelne Gene, sondern ganze Gennetzwerke. „In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl an Risikogenen entdeckt, die die Entstehung verschiedener Erkrankungen begünstigen. Allerdings ist bislang in den seltensten Fällen der molekulare Mechanismus bekannt, über den diese erblichen Risikofaktoren die Krankheitsentstehung begünstigen“, erklärt Professor Dr. Norbert Hübner, der Leiter der neuen Studie, die in Zusammenarbeit mit Dr. Stuart A. Cook vom Imperial College London durchgeführt wurde.

IRF7 steuert Gennetzwerk

Hübner ist Mitglied des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) und forscht am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin. „Wir haben nun einen Transkriptionsfaktor identifiziert, der ein Gennetzwerk steuert, in das mehrere bekannte Diabetes mellitus Typ 1-Risikogene eingebunden sind.“, führt er weiter aus.

Aufspüren konnten die Forscher das Gennetzwerk, das der Transkriptionsfaktor IRF7 – interferon regulatory factor 7 – reguliert, über Untersuchungen an einem Rattenmodell. Das Netzwerk, das die Forscher iDIN (IRF7-driven inflammatory network) genannt haben, enthält 305 Gene. Darunter sind mehrere Gene, die insbesondere in Makrophagen, den Fresszellen des Immunsystems, eine Rolle spielen. Diese Immunzellen sind beispielsweise an der Bekämpfung von Viren, aber auch an der Entstehung von Diabetes mellitus Typ 1 maßgeblich beteiligt.

Diabetes Typ 1 tritt zumeist bereits im Kindes- oder Jugendalter auf, etwa nach einer Virusinfektion wie der Mumps. Die Zellen des Immunsystems, die die Viruserkrankung bekämpfen, richten sich fälschlicherweise gegen die körpereigenen, Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse und zerstören sie. Die Medizin spricht in solchen Fällen von Autoimmunerkrankungen.

Maus- und Rattenmodell im Einsatz

Die jetzigen Untersuchungen zeigen den Forschern zufolge, dass die in den Makrophagen aktivierten Signalwege, die an der Entstehung von Diabetes mellitus Typ 1 beteiligt sind, mit Signalwegen überlappen, die durch eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus angeschaltet werden. So konnten die Wissenschaftler das Gen Ebi2 – Epstein-Barr virus-induced gene 2 – als Kandidaten identifizieren, der die Expression des Transkriptionsfaktors IRF7 und damit das Gennetzwerk iDIN beeinflusst. Das Gen Ebi2 kodiert für ein Rezeptormolekül, das von den Forschern auf Makrophagen verschiedener Gewebe der Maus nachgewiesen werden konnte.

„Wir konnten durch Untersuchungen im Maus- und im Rattenmodell zeigen, dass Tiere, die weniger EBI2-Protein bilden, mehr Makrophagen haben als Kontrolltiere.“

Ergebnisse auf den Menschen übertragbar?

Um eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen zu überprüfen, wurde auf Daten der Mainzer Gutenberg-Herz-Studie (GHS) zurückgegriffen. Professor Dr. Stefan Blankenberg, einer der beiden Leiter der GHS und ebenfalls NGFN-Mitglied, erklärt: „Wir analysierten genomweite Expressionsdaten von isolierten Monozyten, die von 1.490 gesunden Personen stammen.“

Monozyten sind im Blut zirkulierende Immunzellen, die ausreifen und sich zu Makrophagen entwickeln können. „Tatsächlich gelang es uns, ein von dem Transkriptionsfaktor IRF7 gesteuertes Gennetzwerk im Menschen nachzuweisen, das dem iDIN Gennetzwerk der Ratte stark ähnelt, und damit die Gültigkeit der Ergebnisse für den Menschen zu untermauern.“, so Blankenberg weiter.

Um die Legitimität der erhobenen Befunde zusätzlich abzusichern, wurde eine zweite, von der GHS unabhängige Probandengruppe in die Analyse einbezogen. Daten von 758 Personen aus dem EU-Projekt Cardiogenics bestätigten die Erkenntnisse der Wissenschaftler.

iDIN Gene beeinflussen Diabetes-Risiko

„Die weitere Analyse der Daten“, fasst Hübner zusammen, „zeigte, dass die iDIN Gene das Diabetes mellitus Typ 1 Risiko tatsächlich beeinflussen und der Rezeptor EBI2, der die iDIN Gene reguliert, eine Rolle bei der Entstehung dieser Autoimmunerkrankung spielt. Zusätzlich konnten wir die Bedeutung der Makrophagen in der Krankheitsentstehung unterstreichen sowie aufzeigen, dass bei Diabetes mellitus Typ 1 und Infektionen mit dem Ebstein-Barr-Virus ähnliche Signalwege beteiligt sind.“

(idw – Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), 10.09.2010 – DLO)

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