Die erbliche Augenkrankheit Retinitis pigmentosa führt häufig zur Erblindung, da die Sinneszellen der Netzhaut degenerieren. Eine neue Gentherapie verspricht nun Hoffnung: Forscher konnten bei Mäusen eine deutliche Besserung auch noch längere Zeit nach der Behandlung nachweisen.
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In Deutschland leiden etwa 20.000 Menschen unter Retinitis pigmentosa (RP). Die Krankheit beginnt meist im Jugendalter mit Nachtblindheit. Im weiteren Krankheitsverlauf engt sich das Gesichtsfeld immer weiter ein, oft werden die Betroffenen blind. Ursache ist die Degeneration der Fotorezeptoren der Netzhaut: zunächst der Stäbchen, die dem Sehen bei geringer Helligkeit dienen und anschließend der sehr lichtempfindlichen Zapfen, die für die Farbwahrnehmung notwendig sind.
Mutationen in über 50 Genen können die Krankheit auslösen. Für bestimmte Formen der Erkrankung existieren bereits Erfolg versprechende Ansätze für Gentherapien. „Es gibt aber bisher keine effiziente Behandlungsmöglichkeit bei direkt betroffenen Fotorezeptoren, was die häufigsten Ursache ist“, sagt der Pharmakologe Stylianos Michalakis von der LMU München, der nun gemeinsam mit Regine Mühlfriedel vom Universitätsklinikum Tübingen eine Gentherapie bei Mutationen bestimmter Ionenkanäle der Stäbchen entwickelte.
„Die sogenannten CNG-Kationenkanäle in der Plasmamembran der Stäbchen spielen eine entscheidende Rolle für die Wahrnehmung von Licht“ erklärt Mühlfriedel. Aufgebaut sind die Kanäle aus vier Untereinheiten, eine davon ist das große Transmembranprotein CNGB1. Mäuse, bei denen das CNGB1-Gen deaktiviert wurde, zeigen einen ähnlichen Krankheitsverlauf wie menschliche Patienten und werden im Alter von etwa einem Jahr blind.
Therapeutisches Gen in die Netzhaut von Mäusen eingeschleust
Durch den Einsatz sogenannter AAV-Gentransfervektoren gelang es den Wissenschaftlern, ein therapeutisches Gen in die Retina von Mäusen mit defektem CNGB1-Gen einzuschleusen – und tatsächlich konnte dadurch die Produktion von CNGB1 wieder aktiviert werden und die Stäbchen reagierten wieder auf Lichtreize. „Besonders wichtig ist, dass das Gehirn der therapierten Mäuse die neuen Informationen auch korrekt verarbeitet, was wir mit einem Sehtest nachweisen konnten“, betont Michalakis.
Neben seiner Effizienz zeichne sich der neue Ansatz auch durch seine lang anhaltende Wirkung aus, sagen die Forscher. Auch ein Jahr nach Therapiebeginn sei der positive Effekt im behandelten Teil der Netzhaut noch deutlich nachzuweisen. Die Ergebnisse der Münchener und Tübinger Gemeinschaftsarbeit sind daher ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Entwicklung und klinischen Anwendung einer Gentherapie degenerativer Netzhauterkrankungen auch beim Menschen. (Hum. Mol. Gen. 2012; doi:10.1093/hmg/dds290)
(Universitätsklinikum Tübingen, 20.07.2012 – NPO)