Forscher haben erstmals Epilepsie mittels Gentherapie geheilt. Sie schleusten dafür zusätzliche Kopien eines Gens für einen Ionenkanal in das Gehirn von Ratten ein. Diese Genkopien verhinderten eine Übererregung der Gehirnzellen und damit die Ursache für einen epileptischen Anfall. Eine einmalige gentherapeutische Behandlung habe die Krampfanfälle bei den Ratten über mehrere Wochen hinweg gestoppt, ohne dass dabei Nebenwirkungen aufgetreten seien, berichtet das internationale Forscherteam im Fachmagazin „Science Translational Medicine“.
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Das Verfahren wirke bei bereits etablierter Epilepsie, könne aber auch verhindern, dass epileptische Herde erst entstehen, wie nach Hirnverletzungen manchmal der Fall. Noch müssen weitere Tests zeigen, ob diese Gentherapie auch beim Menschen funktioniert. Wäre das aber der Fall, könnte damit Patienten geholfen werden, deren Epilepsie bisher nicht behandelbar sei, sagen die Forscher.
„Epilepsie betrifft mehr als 50 Millionen Menschen weltweit – aber selbst mit optimaler Behandlung leiden 20 Prozent davon weiterhin dauerhaft an Krampfanfällen“, schreiben Robert Wykes vom University College London und seine Kollegen. Ein epileptischer Anfall entsteht, wenn Neuronen in einem bestimmten Hirnbereich krankhaft übererregbar sind – durch angeborene Fehlbildungen oder aber durch nachträglich entstandene Schäden. Feuern sie im Übermaß, löst dies Bewusstseinsstörungen und Muskelkrämpfe aus.
In vielen Fällen lasse sich die Epilepsie nicht mit Medikamenten heilen, sagen die Forscher. Eine chirurgische Entfernung des betroffenen Hirnareals könne zwar helfen, oft sei dies aber nicht möglich, weil dabei für die Hirnfunktion entscheidende Bereiche ebenfalls geschädigt werden würden. Die Versuche mit den Ratten zeigten nun, dass es eine weniger invasive Alternative geben könnte.
Kanäle in der Zellmembran manipuliert
Mit ihrem gentherapeutischen Verfahren setzten die Forscher an einem Kanal in der Membran der Hirnzellen an. Dieser reguliert, wie viele positiv geladene Kaliumatome innerhalb und außerhalb der Zelle vorliegen. Im Ruhezustand sind diese Kalium-Kanäle offen und pumpen Kalium-Ionen aus dem Zellinneren hinaus. Dadurch erhalten die Nervenzellen einen leicht negativen Ladungsüberschuss im Inneren. Bei Erregung schließen sich die Kaliumkanäle, gleichzeitig strömen positiv geladene Natriumionen durch andere Kanäle in die Zelle hinein. Als Folge lädt sich die Zelle positiv auf und es entsteht ein elektrischer Impuls – die Nervenzelle feuert.
In ihrer Studie schleusten die Forscher mehrere Kopien des genetischen Bauplans für die Kaliumkanäle direkt in den Epilepsieherd im Gehirn von Ratten ein. Dadurch bildeten die Hirnzellen vermehrt Kaliumkanäle aus, sie transportierten vermehrt Kaliumionen aus den Zellen hinaus. „Dies erhöhte die Schwelle für das Feuern der Nervenzellen, die Neuronen benötigten nun eine stärkere Ladungsveränderung, um zu reagieren“, berichten die Forscher. Als Folge seien bei den so behandelten Ratten keine Krampfanfälle mehr aufgetreten.
„Bisher haben wir die Wirkung dieser Methode nur für eine Art der Epilepsieherde untersucht“, räumen die Wissenschaftler ein. Aber die Daten deuteten darauf hin, dass eine Gentherapie mit diesem Kaliumkanal-Gen auch andere Epilepsieformen heilen könne. Vielversprechend sei auch, dass die Gentherapie noch auf einer zweiten Ebene wirke: In Versuchen mit Zellkulturen hemmte sie auch die Freisetzung erregender Botenstoffe durch die Nervenzellen. Dieser doppelte Effekt unterdrücke die Anfälle noch effektiver. (doi: 10.1126/scitranslmed.300419)
(Science Translational Medicine, 13.11.2012 – NPO)