Biologie

Genug Platz für Wildkatzen

Ökologisches Modell ermittelt potenziellen Lebensraum

Europäische Wildkatze © BUND

Ein internationales Forscherteam hat erstmals ein Modell entwickelt, das potenzielle Lebensräume und Wanderkorridore für die Europäische Wildkatze identifiziert. So wäre beispielsweise in Rheinland-Pfalz fast die Hälfte dieses Bundeslandes für Wildkatzen geeignet und würde eine maximale Population von 1.600 Weibchen ermöglichen. Das Modell könne auch für andere Regionen angepasst werden und so eine große Hilfe für den Schutz dieser stark gefährdeten Art sein, so die Forscher im Fachblatt Biological Conservation.

Auf ihren Samtpfoten streifen sie seit Urzeiten durch die Wälder Europas – lange bevor der Mensch mit Äxten Schneisen schlug und die Römer ihre Hauskatzen aus Nordafrika hierher brachten. Die Wildkatze (Felis silvestris silvestris) sieht unserer Hauskatze zwar sehr ähnlich, ist mit ihr aber nur sehr weit entfernt verwandt. Am leichtesten sind die beiden Arten am Schwanz zu unterscheiden: Der ist bei den kräftigeren Wildkatzen buschig, mit schwarzem stumpfem Ende und einigen schwarzen Ringen. Als Hauptnahrungsquelle dienen Mäuse. Überlebt haben die Europäischen Wildkatzen vor allem in den Wäldern des Karpatenbogens, des Balkans und Spaniens.

Ökologisches Modell ermittelt potenzielle Lebensräume

Deutsche und spanische Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung, der Freien Universität Berlin, der Firma OEKO-LOG sowie der Biologischen Stationen im Kreis Euskirchen und in Doñana/Spanien haben jetzt erstmals ein ökologisches Modell entwickelt, um geeignete Lebensräume für Wildkatzen zu finden. Dazu hatten sie sechs Kater und sechs Katzen mit Sendern ausgestattet und auf diese Weise das Wanderverhalten beobachtet.

In vier Jahren entstand so eine Datenbank mit über 13.000 Einträgen zu Orten, an denen sich Wildkatzen aufhalten. Als Untersuchungsgebiet diente ein 150 Quadratkilometer großes Areal in der südlichen Eifel bei Wittlich. Drei Viertel des dünn besiedelten Gebietes sind mit Wald bedeckt. Anschließend extrapolierten die Forscher ihre Daten auf ganz Rheinland-Pfalz. Hier leben etwa die Hälfte der gesamten deutschen Wildkatzenpopulation. Das knapp 20.000 Quadratkilometer große

Bundesland ist durch bergiges Gelände mit vielen Wäldern geprägt, die fast die Hälfte der Fläche ausmachen. Die Biologin Nina Klar vom UFZ wertete dann für Ihre Promotion geographische

Informationen aus, um zu ermitteln, wo überall in Rheinland-Pfalz Wildkatzen leben könnten.

Sicherheitsabstand als Schutz

Überprüft wurde das Modell in zwei Testgebieten: dem Bienwald an der Grenze zu Frankreich und in der nördlichen Eifel an der Grenze zu Belgien. Als entscheidend stellte sich dabei der Abstand zu menschlichen Siedlungen heraus: „Um Dörfer machen die scheuen Waldbewohner einen großen Bogen. In einem Kilometer Umkreis tauchen sie seltener auf und selbst bei einzelnen Häusern

oder Straßen sind es immerhin noch 200 Meter“, berichtet Nina Klar.

„Interessanterweise deckt sich dieser „Sicherheitsabstand“ mit Beobachtungen von Luchsen“, ergänzt ihr spanischer Kollege Nestor Fernandez, der an Modellen für die beiden Tierarten gearbeitet hat. „Die Wildkatzen schützen sich so nicht nur vor Menschen und Hunden, sondern begegnen auch Hauskatzen seltener, was die niedrige Rate an Kreuzungen zwischen beiden Arten erklären könnte.“

Dichte des Waldes wichtig

Neben der Distanz zum Menschen spielt auch die Dichte des Waldes und die Nähe zu Waldrändern und Wiesen eine Rolle. Bei ihren Untersuchungen beobachteten die Forscher, dass die Wildkatzen oft

nachts Mäuse auf Wiesen am Waldesrand jagten und sich tagsüber im Dickicht ausruhten: „Feuchte Gebiete sind auch gut für Wildkatzen, da dort Schermäuse (Arvicola terrestris) vorkommen können, die eine besonders lohnenswerte Beute sind.“

Knapp die Hälfte der Fläche von Rheinland-Pfalz erfüllt die von den Forschern ermittelten Mindestanforderungen an den Lebensraum. In dem Bundesland wäre also theoretisch Platz für 1.600 Wildkatzen-Weibchen. Doch trotz guter Lebensbedingungen fehlt es an geeigneten Korridoren, durch die die Tiere in diese Reviere kommen könnten.

Planungen für ein bundesweites Netz von Wanderkorridoren

Nina Klar hat deshalb im Auftrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschlands (BUND) potenzielle Korridore ermittelt, mit denen diese Waldgebiete verbunden werden könnten. Wenn es nach der Naturschutzorganisation geht, dann soll in den nächsten Jahren in Zusammenarbeit mit den Bundesländern ein insgesamt 20.000 Kilometer langes Netz von Wanderkorridoren entstehen. Das würde der Hälfte des deutschen Bundesstraßennetzes entsprechen.

Ein erster Meilenstein des ungewöhnlichen Bauprojekts war im vergangenen Herbst die Pflanzung von 20.000 Bäumen und Büschen, die es wandernden Tieren schon bald wieder ermöglichen sollen, vom Nationalpark Hainich gefahrlos in den Thüringer Wald zu gelangen. Sieben Jahre immerhin hat es gebraucht, bis der erste Abschnitt dieses Wanderkorridors in Abstimmung mit Behörden, Straßenbauern und Landwirten realisiert werden konnte.

(Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), 30.07.2008 – NPO)

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