Biologie

Geschmack will gelernt sein

Wahrnehmung von Kindern nicht automatisch sensibler

Grün und auch noch bitter - bei Kindern kommt Brokkoli meistens nicht gut an. Bittere Geschmacksnoten lernen wir erst mit zunehmender Verzehr-Erfahrung zu schätzen. © ttz Bremerhaven

Geschmack wird nicht in die Wiege gelegt: Die Sinnesorgane sind zwar von Geburt an funktionstüchtig, doch die Wahrnehmung ist eine Sache der Übung. Sensorische Tests haben gezeigt, dass Kinder erst nach und nach feinere Unterschiede herausschmecken können und dass dies keine organischen Gründe hat.

Beim Abschmecken der Temperatur für Babytees schaudert es manchen Erwachsenen angesichts der Süße. Besonders bei der Süße-Empfindung zeigen Kinder deutliche Unterschiede. Bisher gilt jedoch offiziell die gleiche DIN-Norm als Grundlage für Geschmackstests bei Erwachsenen und Kindern. Für die Entwicklung von Programmen, die eine ausgewogene Ernährung fördern, ist das Verständnis der geschmacklichen Wahrnehmung von Kindern verschiedener Altersstufen daher grundlegend.

Im Rahmen des EU-Projektes IDEFICS untersucht das Sensoriklabor am ttz Bremerhaven unter Projektleitung von Kirsten Buchecker Ernährungsgewohnheiten und geschmackliche Wahrnehmung

von Kindern. Über 400 Kinder zwischen drei und acht Jahren aus dem Großraum Bremerhaven nahmen an sensorischen Schwellentests teil, die speziell zur Messung der Geschmackswahrnehmung von Kindern eingesetzt wurden.

Feinere Geschmackswahrnehmung erst mit steigendem Alter

Die sensorischen Untersuchungen ergaben, dass die Kinder Geschmacksschwellen tatsächlich ganz anders empfinden als Erwachsene. Die Empfindung „süß“ stellt sich bei ihnen erst bei einer relativ hohen Zuckerkonzentrationen von 8,6 Gramm pro Liter ein – das entspricht der Süße einer Limonade. Die Studenten der Vergleichsgruppe dagegen konnten auch wesentlich geringere Zuckerkonzentrationen sicher herausschmecken.

Mit steigendem Alter zeigte sich in den Untersuchungen eine deutliche Abnahme der unteren Reizschwellen. Mit anderen Worten: Je älter des Kind/der Jugendliche, desto geringer fällt die Konzentration aus, bei der eine Lösung gerade noch als nicht geschmacksneutral empfunden wird. Diese so genannte Reizschwelle sank besonders zwischen dem achten Lebensjahr und dem

Erwachsenenalter stark ab. Organische Gründe können dafür keine Erklärung liefern, da die Geschmacksorgane sowie ihre neuronale Vernetzung in diesem Alter bereits voll ausgebildet sind.

Erfahrungen und Referenzwerte fehlen noch

Was den Kindern noch fehlt, sind jedoch Vergleichswerte, um einen neuen Geschmack einzuordnen. Wie schnell ein solches „Referenzarchiv“ für Geschmacksmuster aufgebaut wird, entscheidet die Häufigkeit der Konfrontation mit einem bestimmten Geschmackseindruck. Das Geschmacksmuster

für „Tomate“ wird bei wiederholtem Verzehr im Gehirn abgespeichert.

„Alles Vertraute wird dann später positiv bewertet. So kann bei der Gewöhnung an aromatisierte Lebensmittel unter dem Stichwort „Tomate“ auch das Geschmacksmuster von Ketchup abgelegt sein. Die geschmackliche Begegnung mit einer echten Tomate kann dann irritierend sein und Ablehnung hervorrufen“, so Geschmacksforscher Werner Mlodzianowski vom ttz Bremerhaven.

Die Untersuchungen zeigten, dass der Lernprozess der Geschmackserkennung mit acht Jahren anders als bisher angenommen nicht abgeschlossen ist. Die Wahrnehmung von Kindern unterscheidet sich wesentlich von dem Geschmacksempfinden der Erwachsenen. Aufgrund ihrer Erfahrungen verfügen Erwachsene über zahlreiche abgespeicherte Geschmacksreferenzen, die die Einordnung eines neuen Eindrucks- erleichtern.

Das EU-Projekt IDEFICS sammelt noch bis zum Jahr 2011 Erkenntnisse und Werte zur Ursachenforschung für Übergewicht bei Kindern. Auf Basis der Ergebnisse wird ein Interventionsprogramm entwickelt, das dem Problem durch ein kombiniertes Ernährungs- und Bewegungskonzept entgegenwirken soll.

(ttz Bremerhaven, 25.03.2009 – NPO)

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