Unterschiedliche Kulturen drücken die gleichen Basisemotionen womöglich doch mit anderem Mienenspiel aus. Ein schottisch-schweizerisches Forscherteam fand signifikante Unterschiede in den Gesichtsmuskelgruppen, die Europäer und Chinesen benutzen, wenn sie beispielsweise Wut ausdrücken. „Unsere Ergebnisse zeigen den großen Einfluss, den eine Kultur auf elementare Verhaltensweisen hat, welche zuvor als biologisch fest verankert galten“, schreiben die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
Lange Zeit war man davon ausgegangen, dass Gesichtsausdrücke für Glück, Überraschung, Furcht, Ekel, Wut und Traurigkeit von allen Menschen durch die gleichen Muskelbewegungen gebildet werden. Gesichtsausdrücke von Gefühlen seien aber von der Kultur abhängig, schreiben die Forscher um Rachael Jack von der University of Glasgow jetzt.
Mehr als sechs Basisemotionen
Europäer drücken nach Angaben der Forscher die sechs Basisemotionen wie erwartet mit einer eindeutigen Miene aus, die ganz bestimmte Muskelgruppen einbezieht. Das treffe aber nicht auf Chinesen zu: Bei ihnen überlappten die verwendeten Muskeln und daher auch die Gesichtsausdrücke – vor allem wenn es um Überraschung, Furcht, Ekel und Wut gehe. In der asiatischen Kultur sei es daher nicht korrekt, von sechs Basisemotionen zu sprechen: Die Gefühle seien dort nicht so eindeutig voneinander abgegrenzt wie in der europäischen Kultur. „Die Einteilung von sechs Basisgefühlen vernachlässigt wahrscheinlich wichtige Emotionen wie Scham, Stolz und Schuld“, schreiben die Forscher.
Basisemotionen wie Furcht und Ekel und die passenden Gesichtsausdrücke dazu seien entstanden, als Menschen noch in tierähnlichen Verhältnissen lebten, heißt es in den „Proceedings“. Inzwischen hätten sich Gesichtsausdrücke aber weiterentwickelt.
Asiaten drücken mehr über die Augen aus
Es gibt nach Angaben der Forscher noch einen zweiten wichtigen Unterschied zwischen Asiaten und Europäern: Asiaten könne man schon sehr früh an den Augen ansehen, wie sehr sie sich fürchten, ekeln oder ärgern. Europäer hingegen drücken die Intensität ihre Gefühle mehr über andere Gesichtsteile aus, vor allem über den Mund.
Rachael Jack und ihre Kollegen hatten 15 Europäer und 15 Chinesen beiderlei Geschlechts dreidimensionale Animationen von Gesichtsbewegungen betrachten lassen. Dabei bekamen die Probanden sowohl Menschen ihrer eigenen Kultur als auch der für sie fremden Kultur zu sehen. Sie mussten einordnen, welche Gefühle das gezeigte Gesicht ausdrückte und wie stark die Gefühle auf einer Skala von 1 bis 5 waren. Gleichzeitig sollten die Probanden angeben, ob die Animationen die gleichen Gefühle in ihnen selber weckten. Mit Computermodellen ermittelten die Forscher dann, welche Gesichtsmuskeln in einer Kultur welche Gefühle ausdrücken können.
(doi: 10.1073/pnas.1200155109)
(PNAS / Proceedings of the National Academy of Sciences, 17.04.2012 – BOS)