Zellteilung ohne Zelle: Die Vorläufer der ersten lebenden Zellen könnten in den Poren von heißem Gestein entstanden sein, wie nun ein Experiment nahelegt. Denn in diesen winzigen Hohlräumen können sich an der Grenzschicht von Gas und Flüssigkeit Mikrotropfen bilden, die Biomoleküle anreichern und eine zellähnliche Umgebung schaffen. Ähnlich wie Zellen können sich diese Mikrotropfen zudem teilen, verschmelzen und heranwachsen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Chemistry“ berichten.
Wo und wie entstand das erste Leben? War es in Tümpeln an Land oder am den heißen Quellen der Tiefsee? Sammelten sich die Lebensbausteine möglicherweise sogar in den Poren von Wassereis oder heißem Gestein? Bisher ist diese Frage offen. Es ist aber wahrscheinlich, dass die ersten biochemischen Reaktionen nicht in der freien „Ursuppe“, sondern in räumlich eingegrenzten Kompartimenten stattgefunden haben müssen. Denn nur so konnten sich die Grundbausteine des Lebens und ihre Vorstufen in ausreichender Konzentration anreichern, ohne sofort wieder verdünnt oder zersetzt zu werden.
Mikrotropfen als Zellvorläufer?
Eine denkbare Form solcher Zellvorläufer könnten winzige Öltröpfchen oder Bläschen gewesen sein, wie sie beim Aufeinandertreffen von Gas und Wasser oder Öl und Wasser entstehen. „Diese Phasentrennung führt unter ein breiten Palette von physiko-chemischen Bedingungen zur Bildung membranloser Mikrotröpfchen“, erklären Alan Ianeselli von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und seine Kollegen.
Die Frage blieb allerdings, ob und wie sich solche Mikrotröpfchen auch weiterentwickeln können – beispielsweise indem sie sich teilen, miteinander verschmelzen oder chemisch unterschiedliche Tochter-Bläschen bilden. Um das herauszufinden, haben Ianeselli und sein Team die Umgebung solcher präbiotischen Lebensvorläufer im Experiment rekonstruiert. Dafür nutzten sie eine Mikrofluidkammer, in der eine Polymermatrix die Struktur von Gesteinsporen nachbildete.
Protozellen mit Lebensbausteinen
Für den Versuch füllte das Team die Fluidkammer mit einer wässrigen Lösung von Aminosäuren, RNA und tröpfchenbildenden Ölen, zudem wurden mehrere Luftblasen in der Porenstruktur platziert. „Wir wussten, dass die Grenzfläche zwischen dem Gas und dem Wasser Moleküle anzieht. Die Protozellen sammeln sich dort an und verbinden sich zu größeren Zellen. Deshalb haben wir auch diese spezifische Umgebung gewählt“, erklärt Ianeselli.
Tatsächlich bildeten sich an der Grenzfläche von Gas und Flüssigkeit relativ schnell mehrere bis zu 300 Mikrometer kleine Tröpfchen. Sie bildeten eine Art Protozellen, in denen sich Zucker, Aminosäuren und RNA aus der Lösung anreicherten. Um nun einen Zustand des Ungleichgewichts herbeizuführen, heizten die Wissenschaftler eine Seite der Kammer leicht auf, die andere blieb kühl.
Gradient bewirkt Teilung und Fusion
Als Folge dieses Temperatur-Gradienten kam Bewegung in die Mikrotropfen: „Der Gradient erzeugt perturbative Strömungen an der Gas-Wasser-Grenzfläche, die zur Verschmelzung und Teilung der Protozellen führte“, berichten die Forscher. Zudem kam es im Laufe der Zeit zu einer Differenzierung: Es entstanden Protozellen mit unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung, Größe und physikalischen Eigenschaften.
Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten auf ganz ähnliche Weise auch die ersten Zellvorläufer der Urerde entstanden sein. Ähnliche physikalische und chemische Bedingungen wie im Experiment herrschten damals beispielsweise im porösen Gestein von Vulkanen oder hydrothermalen Schloten am Meeresgrund. „Dieser Ergebnisse liefern ein überzeugendes Szenario dafür, dass Gasblasen in erhitzten Gesteinsporen die Entwicklung von membranlosen Mikrotröpfchen auf der frühen Erde begünstigt haben könnten“, schreiben Ianeselli und seine Kollegen.
Ob diese Gesteinsporen allerdings im Meer, in mineralischen Tümpeln von Geysiren oder in anderen wässrigen Umgebungen lagen, ist weiterhin unbekannt. Auch welches Gestein die passenden Poren und Gradienten lieferte, muss nun noch erforscht werden. (Nature Chemistry, 2021; doi: 10.1038/s41557-021-00830-y)
Quelle: Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik