Biochemie

Giftrezept des Steinfischs entschlüsselt

Toxincocktail enthält einige für Fische unerwartete Zutaten

Steinfisch
Das Gift von Steinfischen enthält mehr „Zutaten“ als gedacht. © Global_Pics/ iStock

Entlarvter Giftmischer: Wissenschaftler haben erstmals auch die kleinen Moleküle im Gift von Steinfischen analysiert – den giftigsten Fischen der Welt. Badegäste kommen mit dem schmerzhaften Gift der am Meeresboden lebenden Tiere in Kontakt, wenn sie aus Versehen auf deren Rückenstacheln treten. Die neue Zutatenanalyse könnte nun einige der typischen Symptome erklären, die Betroffene dabei erleben.

Steinfische (Synanceiidae) zählen zu den giftigsten Fischen der Welt. Wie ihr Name vermuten lässt, sehen die Fische aus wie Steine, wodurch sie eins mit ihrer Umgebung werden und ihrer Beute unbemerkt auflauern können. Die Tarnung sorgt jedoch auch dafür, dass Strandbesucher aus Versehen auf die Fische treten und in der Folge mit dem schmerzhaften Gift aus ihren Rückenstacheln Bekanntschaft machen. Da Steinfische in einigen typischen Urlaubsregionen wie dem Roten Meer vorkommen, finden solche Begegnungen häufiger statt, als beiden Parteien lieb wäre.

Die Giftinjektion eines Steinfischs verursacht starke Schmerzen im betroffenen Körperteil, die dann auf die umliegenden Lymphgefäße ausstrahlen und dort Schwellungen sowie Hautrötungen verursachen können. Im weiteren Verlauf kann das Gift auch lebensbedrohliche Symptome wie Herzrasen, Lungenödeme, Krämpfe sowie Atem- und Herzversagen hervorrufen.

Dem Giftcocktail-Rezept auf der Spur

Wie genau das Steinfischgift seine verheerende Wirkung entfaltet und aus welchen „Zutaten“ sich seine Rezeptur zusammensetzt, ist bislang allerdings nur in Teilen verstanden. Zwar ist bekannt, dass die Hauptschuldigen verschiedene proteinhaltige Toxine wie das Verruco- und das Stonustoxin sind, doch um bestehende Gegenmittel zu verbessern, bräuchte es eine kleinteiligere Zutatenliste.

Auf der Suche nach einer solchen Liste haben Forschende um Silvia Saggiomo von der australischen James Cook University im Giftcocktail des Steinfischs nun erstmals auch einen genaueren Blick auf kleine Moleküle geworfen. Diese wurden in früheren Analysen häufig vernachlässigt, könnten aber ebenso relevant für die Giftwirkung sein. Um ihnen auf die Schliche zu kommen, setzte das Team auf verschiedene Analysetechniken, darunter die Kernspinresonanzspektroskopie und die Massenspektrometrie.

Überraschende Zutaten nachgewiesen

Die Analyse ergab: Im Gift des Steinfischs sind drei kleine Moleküle erhalten, die zuvor noch nie darin nachgewiesen wurden. Dabei handelt es sich um die Neurotransmitter Cholin, Acetylcholin und Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Letztere ist sogar zum ersten Mal überhaupt im Gift eines Fisches festgestellt worden, wie Saggiomo und ihre Kollegen berichten. Ansonsten ist der Nervenbotenstoff nur aus dem Gift von Spinnen sowie einer Wespen- und einer Schlangenart bekannt.

Welche Rolle GABA bei der Giftwirkung des Steinfischs spielt, ist noch unklar. Bei Labormäusen verursacht eine Injektion des Neurotransmitters allerdings vorübergehendes Herzrasen, einen Abfall des Blutdrucks und Atembeschwerden, was nach Ansicht der Forschenden auch die ähnlich ausfallende Wirkung des Steinfischgifts auf Menschen erklären könnte. Acetylcholin wiederum ist unter anderem bereits im Gift des Rotfeuerfisches (Pterois volitans) nachgewiesen worden und steht im Verdacht, Blutgefäße lokal zu erweitern und den empfundenen Schmerz zu verstärken.

Neue Wege für die Arzneimittelforschung

Die gewonnenen Erkenntnisse können nun dazu genutzt werden, verbesserte Gegenmittel für Betroffene zu entwickeln. Sie eröffnen aber noch weitere Möglichkeiten: „Die Charakterisierung der spezifischen Zusammensetzung des Gifts kann auch bei der Erforschung und Entwicklung von aus Giften gewonnenen Wirkstoffen in der Arzneimittelforschung helfen“, erklärt Saggiomo. In der Vergangenheit ist zum Beispiel bereits aus dem giftigen Speichel der Gila-Krustenechse (Heloderma suspectum) ein Peptid gewonnen worden, mit dem Diabetiker ihren Blutzuckerspiegel senken können. (FEBS Open Bio, 2024; doi: 10.1002/2211-5463.13926

Quelle: Wiley, FEBS Open Bio

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