Materialforschung

Graphen gegen Mückenstiche?

Graphenoxid-Filme in Kleidung könnten gleich zweifach vor Insektenstichen schützen

Stechmücke
Mücken sind lästig und können gefährliche Krankheiten übertragen. © Anest/ iStock.com

Statt Anti-Brumm & Co: In Kleidung eingewebte Graphenfilme könnten in Zukunft vor Mückenstichen schützen. Wie eine Studie zeigt, wehrt das Material die Blutsauger wirkungsvoll ab – und zwar auf zweifache Weise. Denn die Graphenfilme bilden nicht nur eine physikalische Barriere. Sie verhindern offenbar auch, dass die Insekten Schweiß und andere Signalstoffe wahrnehmen. Als Folge versuchen sich die Mücken gar nicht erst an einer Blutmahlzeit.

Graphen hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend einen Namen als „Wundermaterial“ gemacht. Das ultradünne Gitter aus Kohlenstoffatomen ist leitfähig, flexibel und gleichzeitig extrem stabil. Wegen dieser Eigenschaften gilt Graphen vor allem als vielversprechender Kandidat für technische Anwendungen wie faltbare Bildschirme oder tragbare Elektronik in Kleidung. Doch das Material kann noch mehr: Es eignet sich unter anderem hervorragend zum Haarefärben, könnte Kondome dünner machen und archäologische Artefakte vor Korrosion schützen.

Forscher um Cintia Castilho von der Brown University in Providence haben nun eine weitere Anwendungsmöglichkeit aufgedeckt: Graphen als Schutz gegen Mückenstiche. „Mücken sind wichtige Krankheitsüberträger und es besteht ein großes Interesse an nicht chemischen Abwehrstrategien“, erklärt Castilhos Kollege Robert Hurt.

Aedes aegypti
Im Experiment mit Gelbfiebermücken verhinderten die Graphenfilme erfolgreich Stiche. © Hurt Lab/ Brown University

Barriere für den Insektenrüssel?

Die Wissenschaftler arbeiteten gerade an Graphen-haltigen Textilien, die vor giftigen Chemikalien schützen sollten, als sie auf die entscheidende Idee kamen. „Wir dachten uns, dass Graphen auch eine wirksame Barriere für den Rüssel von Stechmücken darstellen könnte“, berichtet Hurt. Ob dies stimmt, testete das Forscherteam mit 100 Gelbfiebermücken (Aedes aegypti) und einer Reihe freiwilliger Probanden.

Die Studienteilnehmer mussten ihre Hand oder ihren Unterarm in eine Kammer voller Insekten stecken und sich so förmlich für eine Blutmahlzeit anbieten. Dabei verglichen die Wissenschaftler die Anzahl der Stiche auf nackter oder mit einem Mulltuch bedeckter Haut und Haut mit Graphenschutz. Konkret handelte es sich um Filme aus mehrlagigem Graphenoxid (GO), die von Mulltuch ummantelt waren.

Überraschendes Verhalten

Die Ergebnisse waren eindeutig: Mit den GO-Filmen bedeckte Haut bekam keinen einzigen Stich ab. An nackten oder nur mit Mulltuch geschützten Stellen stachen die Blutsauger dagegen regelmäßig zu. Überraschend war dabei, dass die Mücken die mit Graphen geschützte Haut vollkommen ignorierten. „Sie landeten noch nicht einmal auf diesen Stellen“, berichtet Castilho. Demnach schienen die Insekten den Wirt dank der Graphenfilme gar nicht zu wittern.

Eigentlich sollte das Material nur als physikalische Barriere fungieren. Doch könnte es sein, dass es die Mücken zusätzlich daran hinderte, verräterische Körpergerüche wie Schweiß wahrzunehmen? Ein weiterer Test bestätigte dies: Gaben die Forscher Schweiß auf die Außenseite der Graphenfilme, flogen die Insekten diese genauso oft an wie nackte Haut.

Nachteil Nässe

Trotzdem waren die Blutsauger in diesem Fall nicht immer erfolgreich. Denn weitere Experimente bestätigten, dass die Mücken das Graphen mit ihrem Rüssel nicht durchdringen konnten. Dies galt allerdings nur, wenn der Schutzfilm vollkommen trocken war. Im nassen Zustand sank die Durchstoßfestigkeit des Graphenoxids – es stellte dann keinen ausreichenden Schutz vor Mückenstichen mehr dar.

Zwar identifizierten Castilho und ihr Team eine Variante des Materials, dass auch unter nassen Bedingungen entsprechend widerstandsfähig war: „Anders als Graphenoxid ist dieses reduzierte Graphenoxid jedoch nicht atmungsaktiv“, erklärt Hurt. Die Wissenschaftler wollen daher nach Methoden suchen, auch ihren Graphenoxid-Filmen die nötige Stärke bei Feuchtigkeit zu verleihen. „Auf diese Weise könnten wir die Vorteile der Atmungsaktivität und des Stichschutzes vereinen“, sagt der Forscher.

Potenzial für mückenfeste Kleidung

Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten ihre Graphenfilme mit den entsprechenden Anpassungen künftig in Kleidung integriert werden, die ihre Träger wirksam vor lästigen und potenziell gefährlichen Mückenstichen bewahrt. Herkömmliche Kleidung bietet oftmals keinen hundertprozentigen Schutz vor den Blutsaugern. Nur mit Mückennetzen und Insektenschutzmitteln lassen sich die Plagegeister vom Landen auf der Haut abhalten.

„Die chemischen Abwehrmittel können jedoch negative Auswirkungen für die Umwelt und die menschliche Gesundheit haben“, betonen die Forscher. Mückenfeste Kleidung wäre daher eine gute Alternative. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2019; doi: 10.1073/pnas.1906612116)

Quelle: Brown University/ PNAS

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