Klima

Grönlandwal: Erst Profiteur – jetzt Verlierer

Vor 20.000 Jahren verschaffte der Temperaturanstieg ihm einen Vorteil – heute ist er vom Klimawandel bedroht

Grönlandwal: Der Gigant ist durch die Hand des Menschen massiv bedroht. Erst wurde er stark bejagt und so die Bestände geschrumpft. Nun verkleinert sich sein Lebensraum durch die Klimaerwärmung. © Andy Foote, Disko Bay Bowhead Whale Project

Wie aus einem Gewinner ein Verlierer wird: Der Grönlandwal konnte einst von der Klimaerwärmung nach der letzten Eiszeit profitieren. Andere Arten starben damals aus. Heute ist er selbst durch die zunehmende Erwärmung bedroht – doch nicht allein der Klimawandel ist schuld. Intensive Bejagung hat die Bestände des Bartenwals so sehr schrumpfen lassen, dass nur noch wenige Exemplare in den Gewässern um Spitzbergen zuhause sind. Durch den erwarteten Temperaturanstieg wird der Lebensraum der verbliebenen Tiere noch weiter verkleinert werden. Somit sei die Existenz der Tiere durch Ausrottung und Klimawandel akut bedroht, wie ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Nature Communications“ berichtet.

Der Klimawandel nach der letzten Eiszeit vor circa 20.000 Jahren bedeutete für viele arktische Tierarten den Verlust großer Teile ihres Lebensraums. Die Bestände von Polarfüchsen, Moschusochsen oder Lemmingen gingen stark zurück. Arten wie das Wollhaarmammut und der Höhlenlöwe starben aus. Der Grönlandwal hingegen, eine in den Polargewässern der nördlichen Halbkugel vorkommende Bartenwalart, profitierte von der Erderwärmung nach dem Ende der Eiszeit. Das zeigen die Forschungsergebnisse eines internationalen Teams um Kristin Kaschner von der Universität Freiburg und Andrew Foote vom Natural History Museum of Denmark. Sie fanden heraus, dass Grönlandwale im Nordostatlantik damals dem zurückweichenden Meereis folgten.

Ideale Lebensbedingungen durch Eisschmelze

Anhand genetischer Analysen von Fossilfunden konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachweisen, dass die Wale ihr Verbreitungsgebiet an der Westküste Dänemarks und vor Südnorwegen weiter nach Norden, nämlich in die Gewässer um Grönland und Spitzbergen, verlegten. Damit erschlossen sie ein großes Gebiet mit idealen Lebensbedingungen: relativ flache, küstennahe Gewässer in unmittelbarer Nähe der Eiskante. Mit der Verdreifachung des Lebensraums stieg die nordatlantische Population der Grönlandwale stark an.

Über Jahrtausende hinweg zählten sie so, trotz ihrer arktischen Lebensweise, zu den Gewinnern der bis heute herrschenden Warmzeit. Allerdings machten Menschen die erfolgreiche Anpassung dieser Walart an die veränderten Klimabedingungen in nur wenigen Jahrhunderten zunichte: Mit dem Walfang ab dem 16. Jahrhundert dezimierten sie den Bestand der Grönlandwale, vor allem im Nordostatlantik, so stark, dass sich die dortige Population bis heute nicht erholt hat. Nach aktuellen Erhebungen leben derzeit nur noch ein paar Dutzend Tiere in den Gewässern rund um Spitzbergen.

Zusätzliche Gefahr

Anhand ihrer Berechnungsmodelle prognostizieren die Wissenschaftler, dass der derzeitige Klimawandel die letzten verbliebenen Exemplare der nordostatlantischen Unterpopulation des Grönlandwals zusätzlich bedroht. „Aufgrund der Meereserwärmung werden die Lebensräume in den heutigen Polargebieten des Nordatlantiks zunehmend schrumpfen und sich möglicherweise bis zum Ende des Jahrhunderts halbieren“, sagt Kristin Kaschner. „Es ist zu befürchten, dass der durch den Menschen verursachte erneute Klimawandel als zusätzlicher Faktor zum Aussterben des Grönlandwals im Nordostatlantik beitragen könnte.“

(Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, 10.04.2013 – KBE)

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