Eine Wand voller Spuren: Paläontologen haben in Alaska eine große Klippe mit tausenden Dinosaurier-Fußabdrücken entdeckt. In der „Kolosseum“ getauften Fundstelle tummelten sich demnach vor 70 Millionen Jahren unter anderem große pflanzenfressende Entenschnabel- und gehörnte Dinosaurier ebenso wie räuberische Raptoren und Tyrannosaurier. Ihre einst im Schlamm hinterlassenen Fußabdrücke sind teilweise so detailliert, dass man sogar die Beschaffenheit der Haut erkennt.
Die Dinosaurier haben uns mehr hinterlassen als nur ihre fossilen Knochen. Ebenso aufschlussreich, aber seltener sind zum Beispiel ihre versteinerten Fußspuren und Fährten, die uns mehr über das Leben und Verhalten der Urzeitriesen verraten. Nur anhand von Fußspuren konnten Paläontologen etwa herausfinden, dass die Füße von Langhals-Dinosauriern weich gepolstert waren oder dass sich manche Arten in „Reisegruppen“ zusammenschlossen.
Eine Klippe voller Dinospuren
Ein besonders ergiebiger Fundort für Dinosaurier-Fußabdrücke ist der US-Bundesstaat Alaska. Dort war das Klima in der Kreidezeit zwar milder als heute, dennoch sorgte die Polarnacht schon damals für monatelange Dunkelheit. Dass dies die Dinosaurier keineswegs abschreckte, beweisen Fossilfunde von Dinosaurier-Nestern sowie eine 2014 entdeckte Gesteinsformation mit tausenden Abdrücken von Entenschnabel-Dinosauriern.
Jetzt ist Paläontologen um Dustin Steward von der University of Alaska Fairbanks eine weitere Entdeckung gelungen: In der Cantwell-Formation des Denali-Nationalparks stießen sie auf eine große Klippe voller Dinosaurierspuren. Die Fläche mit den versteinerten Abdrücken ragt 66,3 Meter vertikal in die Höhe und ist insgesamt 7.500 Quadratmeter groß. Das macht sie zum größten bekannten Dino-Spurenfeld Alaskas. Zu sehen sind die tausenden, rund 70 Millionen Jahre alten Abdrücke jedoch nur, wenn das Sonnenlicht in einem bestimmten Winkel steht.
Urzeitlicher Schlamm schuf optimale Bedingungen
Obwohl es aus heutiger Sicht so aussieht, als seien die Dinosaurier damals senkrecht die Wand hochgelaufen, ragten die Klippen in der späten Kreidezeit noch nicht vertikal auf. Sie bildeten stattdessen einen flachen schlammigen Boden in der Nähe eines Wasserlochs inmitten einer großen Überschwemmungsebene, wie Steward und seine Kollegen erklären. Wateten Dinosaurier und andere Tiere durch den Schlamm, standen die Chancen gut, dass ihre Fußbadrücke erhalten blieben.
Diese idealen Bedingungen blieben damals offenbar über einen langen Zeitraum konstant, denn in der „Kolosseum“ getauften Klippe finden sich die übereinander geschichteten Spuren vieler Dinosaurier-Generationen. Ebenfalls bemerkenswert ist das Detail, in dem die Fährten erhalten sind, schwärmt Stewards Kollege Patrick Druckenmiller: „Die Abdrücke sind wunderschön. Man kann sogar die Form der Zehen und die Beschaffenheit der Haut sehen.“ Erst lange nach der Versteinerung der Abdrücke haben tektonische Hebungen die einstige Überschwemmungsebene zu einer Klippe aufgefaltet.
Flusslandschaft mit Tyrannosauriern und Raptoren
Die in der Klippe erhaltenen Spuren und Fossilien erlauben es den Paläontologen nun, das spätkreidezeitliche Ökosystem von damals zu rekonstruieren. Demnach war das Gebiet vor 70 Millionen Jahren Teil eines großen Flusssystems, mit Teichen und Seen in der Nähe. Im deutlich wärmeren Klima gediehen unter anderem Nadel- und Laubbäume sowie Farne und Schachtelhalme. Zu den Bewohnern gehörten viele verschiedene Dinosaurierarten. Am häufigsten waren den Fährten nach zu urteilen große, pflanzenfressende Entenschnabel- und gehörnte Dinosaurier anzutreffen.
Die Paläontologen dokumentierten aber auch die Fußabdrücke seltenerer Fleischfresser, darunter Raptoren und Tyrannosaurier. Neben den Urzeitriesen lebten im kreidezeitlichen Alaska außerdem kleine Watvögel, die ebenfalls ihre Spuren im Schlamm hinterließen. Fossilienfunde aus dem „Kolosseum“ deuten zudem auf Süßwassermuscheln und wirbellose Tiere hin. „Es war ein erstaunliches Ökosystem“, fasst Druckenmiller zusammen.
Weitere Feldforschung nötig
Steward und sein Team haben das „Kolosseum“ zwar bereits dreidimensional kartiert, doch aufgrund seiner enormen Größe und Abgeschiedenheit konnten sie noch nicht alle Besonderheiten der Klippe untersuchen. Es bleiben also einige Fragen offen, die die Paläontologen nun in weiterer Feldforschung klären wollen. Wenn die Feldstudien abgeschlossen sind, wird das kreidezeitliche Erbe womöglich zur Besichtigung für Parkbesucher geöffnet. (Historical Biology, 2023; doi: 10.1080/08912963.2023.2221267)
Quelle: University of Alaska Fairbanks