Spektakulärer Fund: Vor der US-Ostküste haben Forschende ein gigantisches Kaltwasser-Korallenriff entdeckt – es ist das größte der Welt. Die von Kaltwasserkorallen erschaffene Rifflandschaft umfasst mehr als 83.000 einzelne Korallenhügel und erstreckt sich über 500 Kilometer Länge und 110 Kilometer Breite. Die höchste Dichte erreichen die Korallen im sogenannten Million-Mounds-Gebiet, das direkt unter dem Hauptteil des Golfstroms liegt. Von ihm bekommen die Kaltwasserkorallen ihre Nahrung, wie das Team berichtet.
Korallen wachsen keineswegs nur in lichtdurchfluteten tropischen Gefilden: Kaltwasserkorallen gedeihen vorzugsweise in den dunklen, kalten Tiefen des Meeres und wurde daher lange übersehen. Inzwischen sind aber zahlreiche Riffe dieser artenreichen Kaltwassergemeinschaften bekannt. Es gibt sie an den Schelfkanten vieler Kontinente, beispielsweise vor Mauretanien, vor Yucatan und sogar in den eisigen Gewässern vor Grönland. Doch wegen ihrer tiefen Lage sind noch viele dieser Kaltwasserriffe unentdeckt.
Submarine Kartierung auf dem Blake Plateau
Einen spektakulären Fund haben nun Forschende um Derek Sowers von der US National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) gemacht. Sie hatten im Rahmen einer großangelegten mehrjährigen Kampagne das Blake-Plateau vor der Südostküste der USA kartiert. Dieses von rund 500 auf rund 1.000 Meter Tiefe abfallende Gebiet liegt zwischen dem amerikanischen Kontinentalschelf und der atlantischen Tiefsee. Es reicht etwa von der Höhe Miamis bis hinauf nach Charleston in South Carolina.
„Frühere Studien haben schon gezeigt, dass es in diesem Gebiet einige Kaltwasserkorallen gibt, vor allem in Küstennähe und in den flacheren Gebieten“, erklärt Koautor Casey Cantwell von NOAA Ocean Exploration. „Aber wir wussten nicht, wie ausgedehnt dieses Korallenhabitat war, und auch nicht, wie viele dieser einzelnen Korallenhügel das Riffgebiet umfasst.“ Für ihre Kartierung werteten die Forschenden Daten von 31 Multibeam-Sonar-Messkampangnen aus und führten 23 Tauchfahrten mit kamerabestückten Tauchrobotern aus.
83.000 Korallenhügel auf rund 500 Kilometer Länge
Die Auswertung dieser Daten enthüllte Überraschendes: Das gesamte submarine Plateau ist von einer gigantischen Rifflandschaft überzogen. Kaltwasserkorallen haben dort eine ausgedehnte Hügellandschaft erschaffen, die insgesamt 500 Kilometer lang und 110 Kilometer breit ist. „Damit ist diese Kaltwasserkorallen-Provinz fast dreimal größer als der Yellowstone Nationalpark“, berichten Sowers und sein Team. Die Größe dieses Gebiets übertrifft selbst die des 2018 vor Mauretanien entdeckten Kaltwasserkorallen-Riffs.
„Allein das dicht besiedelte Kerngebiet unseres Riffs ist größer als jedes andere kontinuierliche Kaltwasserkorallengebiet oder -riff, das bisher entdeckt und beschrieben wurde“, konstatieren die Forschenden. Dieses Kerngebiet, die sogenannten „Million Mounds“, erstreckt sich über eine Länge von 254 Kilometern und umfasst mehr als 35.000 einzelne Korallenhügel. Insgesamt enthüllten die bathymetrischen Daten für das gesamte Korallenriff mehr als 83.900 einzelne Korallenhügel, die zwischen drei und 71 Meter hoch aus dem umgebenden Meeresgrund aufragen.
Größtes Kaltwasser-Riff der Welt
Die schiere Menge der Korallen und ihrer Riffbauten überraschte selbst die Wissenschaftler: „Jahrelang dachten wir, dass das Blake Plateau vorwiegend aus spärlich besiedeltem, weichem Sediment besteht“, sagt Cantwell. „Aber nach mehr als zehn Jahren der Erkundung und Kartierung haben wir nun hier eines der größten Kaltwasser-Korallenriffe weltweit aufgedeckt. Diese Entdeckung unterstreicht, wie wichtig es ist, wenigstens den Meeresgrund in unserem ‚Vorgarten‘ genauer zu erkunden.“
Die Tauchgänge zum Blake Plateau ergaben, dass die Korallenhügel von verschiedenen Kaltwasserkorallen besiedelt sind. In den meisten Gebieten ist jedoch die Tiefsee-Steinkoralle Desmophyllum pertusum (früher Lophelia pertusa) die dominante Art. Sie gilt als wichtigster Riffbauer unter den Tiefsee-Korallen und ist weltweit verbreitet. Ebenfalls häufig vertreten im Blake-Riff ist die Art Madrepora oculata, die oft mit Desmophyllum gemeinsam vorkommt.
Direkt unter dem Golfstrom
Interessant auch: Das am dichtesten besiedelte Riffgebiet der Million Mounds liegt genau dort, wo der Golfstrom seine stärkste Strömung hat. Diese von der Karibik entlang der Südostküste der USA nach Nordosten fließende Warmwasserströmung ist wahrscheinlich der Grund, warum sich auf dem Blake Plateau so viele Kaltwasserkorallen angesiedelt haben: „Die Ausrichtung der dichtesten Korallenzone mit dem Florida- und Golfstrom belegt eindeutig, wie wichtig diese Strömung als Lieferant für Nährstoffe ist“, erklären Sowers und seine Kollegen.
Weil die Kaltwasserkorallen keine symbiontischen Algen in sich tragen, sind sie für ihre Nährstoffversorgung auf die Planktonorganismen und organischen Partikel angewiesen, die mit den Meeresströmungen herangeschwemmt werden. Die Korallen strecken ihre mit giftigen Nesselkapseln ausgestatteten Fangarme aus und fischen so ihre Nahrung aus dem Wasser. (Geomatics, 2024; doi: 10.3390/geomatics4010002)
Quelle: NOAA Ocean Exploration