Schlängelnder Rekordhalter: Die Afrikanische Eierschlange ist zwar nur einen Meter lang, kann im Verhältnis zu ihrer Körpergröße aber größere Beute schlucken als jede andere Schlange, wie ein Forscher nun herausgefunden hat. Demnach ist der Durchmesser der Eier, die diese Schlange im Ganzen vertilgt, im Verhältnis doppelt so groß wie die Beute, die etwa ein Tigerpython verdrückt. Der Schlüssel für diese Superkraft liegt unter anderem in ihrem zahnlosen, elastischen Maul.
Alle Schlangen, so unterschiedlich sie auch aussehen und leben mögen, haben eines gemeinsam: Sie schlucken ihre Beute im Ganzen, statt sie vorher zu zerkauen. Das ist möglich, weil ihr Ober- und Unterkiefer äußerst elastisch und mit mehreren Gelenken ausgestattet sind. So bekommt die Schlange das Maul weit genug auf, um selbst Beutetiere zu verschlingen, die deutlich größer als ihr eigener Kopf sind. So vertilgte eine kreidezeitliche Schlange selbst junge Dinosaurier und moderne Pythons schrecken auch vor Stachelschweinen nicht zurück.
Wettkampf der Schlangen
Doch welche Schlange kann ihr Maul im Verhältnis zur Körpergröße am weitesten aufreißen und somit die größte Beute verschlingen? Dieser Frage ist nun der Biologe Bruce Jayne von der University of Cincinnati nachgegangen. Dafür hat er die Spannweite, mit der 13 verschiedene Schlangenarten ihr Maul aufreißen können, mit 3D-gedruckten Zylindern gemessen und dann diese Maulweite mit der Körpergröße der Schlangen ins Verhältnis gesetzt. Zwei Schlangenarten hat Jayne außerdem im Labor genauer hinsichtlich ihrer Fähigkeiten untersucht.
Das dabei entstandene Ranking ist auf den ersten Blick überraschend. Denn auf Platz eins landet keineswegs eine berühmt-berüchtigte Riesenschlange wie die Anakonda oder der in Südostasien beheimatete Tigerpython. Obwohl letzterer sogar Rehe und Alligatoren verschlingt und sein Maul dabei 22 Zentimeter weit aufreißt, ergattert er nur den zweiten Platz.
Afrikanische Eierschlange holt den Titel
Den ersten Platz im Ranking der Großmäuler belegt stattdessen eine eher unscheinbare Kandidatin: die kleine Afrikanische Eierschlange (Dasypeltis gansi). Sie kann im Verhältnis zu ihrer Körpergröße Beute mit einem doppelt so großen Durchmesser verschlingen wie Python und Co., berichtet Jayne. Würde man also einen Python auf die Maße der Eierschlange schrumpfen, könnte er nicht annähernd mit ihr mithalten. „Die Leute konzentrieren sich auf große Schlangen, die große Dinge fressen, aber wenn man ihre Größe berücksichtigt, sind diese kleinen Kerle ziemlich furchterregend“, so der Biologe.
Die beigefarben geschuppte, einen Meter lange Eierschlange ernährt sich ausschließlich von Vogeleiern. Wenn sie ein schmackhaftes Ei entdeckt hat, verschluckt sie es im Ganzen, indem sie ihr Maul bis zu fünf Zentimeter weit aufreißt – beachtlich für eine so kleine Schlange. Dann nutzt sie ihre Wirbelsäule und Muskeln, um das Ei in ihrem Inneren zu knacken. Die leere, zerbrochene Schale würgt die Eierfresserin anschließend wieder hoch und spuckt sie aus.
Zahnlosigkeit als Trick
Da die Eier um ein Vielfaches größer sind als der Kopf der Schlange, hat sie spezielle Tricks entwickelt, um mit dieser Herausforderung klarzukommen. Neben elastischen Kiefern und einem verhältnismäßig breiten Maul besitzt die Eierfresserin außerdem so gut wie keine Zähne. „Diese könnten das Greifen eines Eies mit glatter Schale erschweren“, erklärt Jayne.
Mit ihrer starken Spezialisierung steckt die Afrikanische Eierschlange nicht nur gewaltige Pythons mit komplett anderem Nahrungsspektrum in die Tasche, sondern auch solche Schlangen, die sich selbst hin und wieder von Eiern ernähren. Dazu zählt die schwarz gefärbte, in Nordamerika beheimatete Erdnatter. Im Labor hat Jayne ermittelt, dass die afrikanische Konkurrentin vier- bis fünfmal größere Eier herunterwürgen kann als die Nordamerikanerin.
Großes Maul als Überlebensstrategie
Doch warum das Ganze? Schließlich würden Vögel, Mäuse und Ratten mit einem ähnlichen Durchmesser deutlich mehr Kalorien liefern als ein Ei. Doch Jayne nimmt an, dass die Afrikanische Eierschlange dieses Defizit damit kompensiert, die für ihre Größe riesigen Eier schlucken zu können. Dadurch ist sie gut mit Nährstoffen versorgt und muss außerdem keine Energie investieren, um ein Tier zu jagen und zu töten, bevor sie es fressen kann. (Journal of Zoology, 2023; doi: 10.1111/jzo.13102)
Quelle: University of Cincinnati