Fische im Stress: Biologen haben erstmals emotionales Fieber bei Fischen nachgewiesen. Diese Erhöhung der Körpertemperatur durch starke Gefühle und Stress gilt als Indikator für ein Bewusstsein – und für die Fähigkeit, Schmerz zu fühlen. Bisher hielt man Fische für zu einfach gestrickt, um bewusst zu fühlen, doch das Experiment der Forscher stellt diese Sicht nun in Frage. Fische könnte demnach durchaus ein gewisses Maß an Bewusstsein besitzen.
Empfinden Fische Schmerzen? Sind sie sich ihrer selbst und ihrer Umwelt bewusst? Über diese Frage streiten nicht nur Angler und Tierschützer, auch in der Wissenschaft herrscht hier keine Einigkeit. „Nach Ansicht einiger Forscher ist das Gehirn der Fische zu klein und zu einfach. Ihnen fehlt deshalb die kognitive Fähigkeit, Leiden zu erfahren und ihre Reaktionen auf negative Umstände sind kaum mehr als Reflexe mit wenig emotionalem Gehalt“, erklären Sonia Rey von der University of Stirling und ihre Kollegen.
Andere jedoch widersprechen dem: „Obwohl das Fischgehirn kleiner und anders strukturiert ist, gibt es in ihm durchaus funktionelle Entsprechungen zum Säugetierhirn“, so Rey und ihre Kollegen. So könnte in ihrem Vorderhirn ein Areal liegen, das der Amygdala ähnelt und als Gefühlszentrum fungiert. Zudem zeigen Studien, dass Fische lernfähig sind und auf Schmerzen ähnlich reagieren wie Säugetiere.
Fieber durch emotionalen Stress
Rey und ihre Kollegen haben nun einen weiteren möglichen Indikator für bewusste Wahrnehmung bei den Fischen untersucht: das emotionale Fieber. Bei diesem steigt die Körpertemperatur eines Tieres um ein bis zwei Grad an, wenn es starken emotionalen Stress empfindet. Bisher wurde diese Reaktion nur bei Vögeln, Reptilien und Säugetieren beobachtet, nicht aber bei Amphibien und Fischen. Auch deshalb galten Fische bisher als unfähig zu emotionalen Empfindungen, wie die Forscher erklären.
Das Problem: Weil Fische wechselwarm sind, können sie dieses Fieber nicht selbst erzeugen. Stattdessen müssen sie aktiv wärmeres Wasser aufsuchen, um ihre Körpertemperatur zu erhöhen. Und genau dies haben die Forscher in ihrem Experiment getestet: Sie setzten eine von zwei Zebrafisch-Gruppen unter Stress, indem sie sie 15 Minuten lang in einem engen Netz festhielten. Dann ließen sie sich frei und beobachten, in welchem Temperaturbereich des Beckens sich die Fische hinterher aufhielten.
Stress löst Wärmebedürfnis aus
„Die Ergebnisse waren erstaunlich“, berichtet Rey: Während sich die stressfreien Fische die gesamte Zeit in dem für sie optimal temperierten Wasser mit 28 Grad aufhielten, schwammen die gestressten Fische nach ihrer Freilassung in den Beckenbereich, in dem das Wasser 32 bis 35 Grad warm war – eigentlich für sie zu warm. Die Körpertemperatur dieser Fische erhöhte sich dadurch um zwei bis vier Grad, wie die Forscher berichten.
Nach Ansicht von Rey und ihre Kollegen belegt dies, dass Fische ebenfalls eine Art emotionales Fieber entwickeln. Denn ähnlich wie das Fieber bei Säugetieren und Vögeln sorgt diese Erwärmung dafür, dass der Stoffwechsel einen Gang höher schaltet und damit das Tier auf Kampf oder Flucht vorbereitet. Auch eine Infektion kann Fische dazu bringen, wärmeres Wasser aufzusuchen, wie die Forscher berichten.
„Einen gewissen Grad an Bewusstsein“
Insofern spricht das Verhalten der gestressten Zebrafische dafür, dass sie echtes, durch emotionalen Stress ausgelöstes Fieber zeigen. „Das aber ist sehr interessant“, so Rey. „Denn die Tatsache, dass Fische emotionales Fieber erfahren, deutet erstmals darauf hin, dass sie ein gewisses Maß von Bewusstsein besitzen. Unsere Ergebnisse bestätigen das sich erhärtende Bild von Fischen als durchaus zu komplexem Verhalten fähigen Tieren, die sehr wohl fühlend und bewusst sein könnten – zumindest in einem gewissen Grad.“
Wie genau ein Fisch Schmerzen oder Stress empfindet, wissen wir damit zwar noch immer nicht. Es spricht aber einiges dafür, dass die Fische weniger simpel und primitiv sind als bisher gedacht. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2015; doi: 10.1098/rspb.2015.2266)
(Universitat Autonoma de Barcelona, 01.12.2015 – NPO)