Die grüne Meeresschildkröte ist vom Aussterben bedroht. Daran ist ausnahmsweise nicht nur der Mensch schuld, sondern auch eine geheimnisvolle Epidemie, die die Tiere an Geschwülsten zugrunde gehen lässt. Ein schweizer Forscher hat nun den Erreger, ein Herpesvirus identifziert und einen Schnelltest dafür entwickelt. Auch an einem Impfstoff arbeitet er bereits.
Noch vor wenigen Jahren brodelte die grüne Meeresschildkröte als Suppenschildkröte in den Töpfen zahlreicher Haute-Cuisine- Gastronomen. Heute wird sie durch das Washingtoner Artenschutzabkommen geschützt und steht dort auf der Liste der am stärksten durch den Menschen bedrohten Arten. Den Schildkröten setzt die Verschmutzung des Meerwassers zu, Brutstrände wurden vom Massentourismus okkupiert und nach wie vor haben es Menschen – illegalerweise – auf Fleisch, Eier oder Panzer abgesehen. Ausserdem enden zahlreiche Tiere als Beifang in den Netzen von industriellen Fischfängern.
Tödliche Tumoren
Endgültig den Garaus machen könnte den gepanzerten Wesen mit der biblischen Lebenserwartung von bis zu 150 Jahren aber eine Panzootie – das Pendant zur Pandemie bei uns Menschen. Denn in vielen Meeren ist ein Grossteil der Tiere mit einem Herpesvirus infiziert. Die Krankheit löst bei den Schildkröten eine so genannte Fibropapillomatose aus, bei der sich Krebsgeschwülste bilden: am Hals, im Mund, in den Augen, unter den Flossen und innerlich in Lunge, Leber und Herz. Wenn die Geschwülste sich im Körperinnern ausbreiten, versagen mit der Zeit die Organe, wenn die Tumoren im Mund wachsen, können die Schildkröten bald keine Nahrung mehr zu sich nehmen und verhungern.
Aussterben realistisch
Noch kommt die Meeresschildkröte in fast allen Weltmeeren in Küstennähe vor: im Pazifischen und im Indischen Ozean, vor Südamerika, Australien oder Japan, aber auch im Atlantik und im Mittelmeer. Doch das könnte sich bald ändern: „Das Aussterben ist leider ein realistisches Szenario“, sagt Mathias Ackermann, Direktor des Instituts für Virologie der Universität Zürich, der sich seit 2003 mit der Meeresschildkröte beschäftigt.