Herpesviren sind tückisch: Nach der Infektion bleiben sie lebenslang im Körper und führen zu immer neuen Krankheitsausbrüchen. Wie die Infektion auf molekularer Eben abläuft, war bisher unbekannt. Doch eine neue, im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS) veröffentlichte Studie zeigt nun erstmals detailliert, wie das Virus seine Wirtszelle befällt und in sie eindringt.
Viren können sich nicht selbständig vermehren, sondern müssen Wirtszellen infizieren und deren Stoffwechsel umprogrammieren, damit diese viele neue Viren produzieren und freisetzen. Während einer Infektion heftet sich das Virus an die Wirtszelle an und bringt seine genetische Information (DNA oder RNA) in die Zelle. Die DNA oder RNA des Virus sorgt dafür, dass zelluläre Prozesse auf die Virusvermehrung ausgerichtet werden, wobei die Zelle selbst dabei in der Regel zugrunde geht.
Virusforscher am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried erforschen wie Viren sich an Wirtszellen anheften und welche Proteinstrukturen an der Infektion beteiligt sind. Sie konzentrieren sich dabei auf das Herpes Simplex Virus-1, das zu einer großen Virusfamilie gehört, die nicht nur Herpes-Bläschen am Mund hervorrufen, sondern neben Windpocken, Gürtelrose und Karzinomen für mehr als 60 verschiedene Krankheitsbilder bei Mensch oder Tier verantwortlich sind.
Schnappschüsse bei minus 180 Grad
Ulrike Maurer und Kay Grünewald vom Max-Planck-Institut für Biochemie und Beate Sodeik von der Medizinischen Hochschule Hannover haben nun speziell die Anheftung des Herpesvirus im Elektronenmikroskop untersucht. Die eingesetzte Technik der Kryo-Elektronentomographie gibt den Forschern die Möglichkeit, zelluläre Vorgänge als Schnappschüsse festzuhalten. Dabei werden schockgefrorene Zellen bei etwa minus 180 °C im Elektronenmikroskop untersucht. Aus einer Vielzahl von Einzelbildern können dynamische Prozesse in den Zellen auf molekularer Ebene untersucht werden. Die neuesten Ergebnisse aus der Forschungsgruppe „Zelluläre Infektion durch Viren“ in Martinsried liefern erstmalig „Live-Aufnahmen“ vom Vorgang der Infektion.