Neurobiologie

Hirn arbeitet auch im Wachkoma

Bewusstlose Menschen zeigen Anzeichen von Empfindungen

Mit modernen diagnostischen Verfahren versuchen Forscher herauszufinden, was im Hirn eines im Koma liegenden Menschen vorgeht. Bei neuen Untersuchungen haben scheinbar bewusstlose Menschen Anzeichen von Empfindungen gezeigt – wenn auch nur unter bestimmten Bedingungen.

Ärzte setzen Patienten einem bestimmten Reiz wie fehlerhaften Sätzen aus und messen dann mittels Elektroenzephalogramm (EEG) die Reaktion des Gehirns. Dabei zeichnen Elektroden, die auf die Kopfhaut aufgesetzt werden, die Aktivität des Gehirns auf.

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„Bei jedem vierten oder fünften Patienten, der bislang als vollkommen weggetreten galt, messen wir im Gehirn Reaktionen auf derartige Reize, das heißt, der Mensch versteht, was da gesagt wurde“, erklärt Niels Birbaumer, Hirnforscher an der Universität Tübingen in der neuesten Ausgabe des Technologiemagazin Technology Review. „Wenn wir uns nur an das halten würden, was wir wissenschaftlich beweisen können, dann bräuchten wir keine Ethik. Dann dürften wir keinen dieser Patienten sterben lassen.“

Die Untersuchungen widersprechen der verbreiteten Ansicht, nach der ein Mensch entweder wach oder bewusstlos sein müsse, und zwingen eventuell zum Umdenken. In manchen Fällen sind die Ergebnisse so widersprüchlich, dass niemand mit Sicherheit sagen kann, ob ein Mensch in einem gelähmten Körper eingeschlossen ist oder aber bewusstlos. Die Resultate deuten jedoch an, dass das Bewusstsein keine Lampe ist, die entweder an oder aus ist. Sie kann trübe glimmen oder flackern.

Das tiefe Koma ähnelt in vieler Hinsicht dem traumlosen Schlaf und stellt ein durchaus sinnvolles, weil energiesparendes, Notfallprogramm des Körpers dar. Ein Mensch im Koma reagiert zwar nicht auf Schmerzreize, doch der Hirnstamm erzeugt noch Reflexe wie Würgereiz oder Lidschlag. Das EEG im Koma unterscheidet sich deutlich vom Wachzustand, aber auch vom Hirntod, bei dem im gesamten Gehirn jegliche Aktivität erloschen ist.

Das Wachkoma ist 1972 erstmals definiert worden. Patienten haben einen Wach-Schlaf-Rhythmus und lassen sich durch Geräusche oder Schmerzreize aufwecken. Sie atmen, öffnen und bewegen ihre Augen, können weinen, stöhnen, lächeln, aber ohne Bezug auf einen äußeren Einfluss. In diesem Zustand kann das EEG laut Birbaumer fast normal aussehen, „etwa wie bei einem Menschen, der leicht schläfrig ist“.

(Technology Review, 28.04.2005 – DLO)

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