Ein Geist aus der Vergangenheit: Auf über 80 Jahre alten Archivfotos haben Paläontologen die fossilen Überreste eines bislang unbekannten Raubdinosauriers aus Ägypten identifiziert. Sein Original-Skelett war während eines Bombardements im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Vor der Analyse des Bildmaterials hatte man den Räuber fälschlicherweise für einen Carcharodontosaurus gehalten. Die Revision verändert nun auch einige Vorstellungen von der kreidezeitlichen Fauna Nordafrikas.
Der Zweite Weltkrieg hat nicht nur unzählige Wohngebäude zerstört, sondern auch Museen und wertvolle Exponate. Im Naturkundemuseum Berlin traf es etwa den Anatomischen Saal, eine Ausstellung mit vielen vollständigen Skeletten von Großsäugern. Am 21. Juli 1944 wurde auch das Gebäude der Alten Akademie in München bei einem alliierten Luftangriff von einer Bombe getroffen und brannte vollständig aus. Ein Großteil der damaligen Sammlung ging verloren, darunter auch sämtliche Dinosaurierfossilien, die zuvor in Ägypten ausgegraben und geborgen worden waren.
Nur noch auf Papier erhalten
Nun, 80 Jahre nach dem Bombardement, haben Forschende um Maximilian Kellermann von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie einem der damals zerstörten Fossilien neue Aufmerksamkeit geschenkt. Es handelt sich dabei um die Überreste eines rund zehn Meter langen Raubdinosauriers, die 1914 in der ägyptischen Bahariya-Oase südwestlich von Kairo ausgegraben und nach München gebracht wurden.
Der Münchner Paläontologe Ernst Stromer von Reichenbach untersuchte damals das fossile Skelett – bestehend aus Teilen des Schädels, der Wirbelsäule und der Hinterbeine – und ordnete es daraufhin der Gattung Carcharodontosaurus zu. Diese wegen ihres eindrucksvollen Gebisses nach dem Weißen Hai benannte Gattung umfasst einige der größten Fleischfresser der Erdgeschichte. Ob diese Zuordnung stimmt, lässt sich heute allerdings schwer überprüfen, denn von dem Skelett des kreidezeitlichen Dinosauriers sind nur noch Stromers Notizen und Illustrationen der Knochen sowie einige wenige Fotos erhalten.
Überraschende Erkenntnisse durch historische Fotos
Doch nun ist Kellermann im Rahmen von Recherchen auf neue, bisher unbekannte Fotos des Raubsauriers gestoßen. Die Bilder zeigen das Original-Skelett aus Ägypten vor seiner Zerstörung in der Ausstellung der Alten Akademie und ermöglichten dem Team neue Analysen des fossilen Materials. „Was wir auf den historischen Bildern sahen, hat uns alle überrascht“, sagt Kellermann. Denn: „Das dort abgebildete ägyptische Raubsaurier-Skelett unterscheidet sich deutlich von neueren Carcharodontosaurus-Funden aus Marokko. Stromers ursprüngliche Zuordnung war somit inkorrekt.“
Die Auswertung des Bildmaterials in Verbindung mit einer Stammbaumanalyse des 95 Millionen Jahre alten Raubtiers offenbarte, dass es sich bei dem Dinosaurier stattdessen um eine bislang komplett unbekannte Art handelt. Die Paläontologen haben sie auf den Namen Tameryraptor markgrafi getauft. „Tamery“ – „das gelobte Land“ – ist die altägyptische Bezeichnung für Ägypten und „markgrafi“ ehrt Stromers Fossiliensammler Richard Markgraf, der die Fossilien vor über 100 Jahren ausgegraben hat.
Neben seiner enormen Größe, mit der Tameryraptor an den Tyrannosaurus rex heranreichte, zeichnete sich der Räuber durch symmetrische Zähne und ein markantes Nasenhorn aus. Zwar handelte es sich bei ihm nicht um einen Carcharodontosaurus, doch komplett falsch lag Stromer trotzdem nicht. Wie die Paläontologen herausfanden, war der Saurier offenbar eng verwandt mit nordafrikanischen und südamerikanischen Carcharodontosauriern, sowie mit einer Raubsauriergruppe aus Asien, den Metriacanthosauriern.
Doch mehr Vielfalt im kreidezeitlichen Nordafrika?
Dass es sich bei dem ägyptischen Dinosaurier doch nicht um einen Carcharodontosaurus handelt, bringt auch die Vorstellungen von der kreidezeitlichen Fauna Nordafrikas durcheinander. Bislang ging man aufgrund marokkanischer Funde beispielsweise davon aus, dass dieser Raubsaurier in ganz Nordafrika verbreitet war. Doch das gilt nun vorerst als widerlegt.
„Vermutlich war die Dinosaurierfauna Nordafrikas deutlich vielfältiger, als wir das bislang angenommen haben“, betont Seniorautor Oliver Rauhut. „Für eine umfassendere Beurteilung der kreidezeitlichen Raubsaurierfauna aus der Bahariya-Oase wäre allerdings die Bergung weiterer Fossilien der Fundstelle notwendig.“ (PLoS ONE, 2025; doi: 10.1371/journal.pone.0311096)
Quelle: Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns