Um Krankheitserreger abwehren zu können, müssen Immunzellen beweglich sein und Kontakt zueinander aufnehmen. Forscher haben nun im Tiermodell einen Mechanismus entdeckt, wie der Aids-Erreger HIV die Immunzellen lähmt: Die Zell-Beweglichkeit wird durch das Nef-Protein des HIV gehemmt.
Möglicherweise ist damit ein neuer Ansatz für eine Therapie gefunden, berichten die Wissenschaftler um Professor Dr. Oliver Fackler vom Universitätsklinikum Heidelberg in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Cell Host & Microbe“.
Über 30 Millionen Menschen weltweit sind mit HIV infiziert. Typischerweise vergeht nach der Erstinfektion mit akuten Symptomen eine mehrjährige Latenzzeit, bevor sich das erworbene Immundefektsyndrom (AIDS) manifestiert. Das HI-Virus hat zahlreiche Strategien entwickelt, um sich der körpereigenen Abwehr und den verabreichten Medikamenten zu entziehen. Voraussetzung für eine effiziente Virusvermehrung im Patienten ist das viruseigene Nef-Protein. Ohne Nef ist die Entwicklung von AIDS deutlich verlangsamt oder sogar komplett gestoppt. Der zugrunde liegende Mechanismus für diese Beobachtung war aber bisher völlig ungeklärt.
HIV modifiziert das Zellstruktursystem der Wirtszellen
Viren verändern die Stützstrukturen der befallenen Zellen, um besser in die Zelle eindringen zu können. Das Zellstrukturelement Aktin, das auch der Muskulatur ihre Beweglichkeit verleiht, verhilft den Immunzellen zu ihrer Motilität. Diese ist notwendig, damit die Abwehrzellen miteinander in Kontakt treten und das Virus bekämpfen können. Nach jeder Bewegung muss das Aktin wieder in seinen Ursprungszustand zurückversetzt werden, um erneut zur Verfügung zu stehen.
HIV greift bevorzugt Immunzellen vom Typ der T-Helferzellen an. Diese unterstützen nicht nur die direkte „Feindabwehr“, sondern sind auch notwendig, um ausreichend Antikörper gegen den Eindringling ausbilden zu können. Dazu sind sie auf ihre Beweglichkeit angewiesen.
Kurzschluss zweier verschiedener Signalwege
Die Heidelberger Wissenschaftler untersuchten in ihrer neuen Studie jetzt die Wanderung von Zellen bei lebenden Zebrafisch-Embryonen und konnten nachweisen, dass die Zell-Beweglichkeit durch das HIV Protein Nef gehemmt wird.
In weiterführenden Versuchen an Zellkulturen klärten sie auch den zugrundeliegenden Mechanismus auf: Nef bringt ein Enzym, das sonst nichts mit der Zellbeweglichkeit zu tun hat, dazu, einen Regulator für die Aktin-Wiederherstellung zu inaktivieren. Nef sorgt also für einen Kurzschluss zweier zellulärer Maschinerien und verhindert damit, dass das Zellstrukturelement Aktin reorganisiert wird, und die Zelle sich bewegen kann. So können die betroffenen Immunzellen ihre Funktion nicht mehr wahrnehmen.
Fehlfunktion von B-Lymphozyten
„Wir spekulieren, dass der negative Effekt von Nef auf die Beweglichkeit von T-Helferzellen weitreichende Konsequenzen für eine effiziente Antikörperbildung durch B-Lymphozyten im Patienten hat. Der von uns beschriebene Mechanismus könnte wesentlich an der bei AIDS-Patienten zunehmend stärker beachteten Fehlfunktion von B-Lymphozyten beteiligt sein“, erklärt Fackler. Bisher ist Nef noch kein Ziel antiviraler Therapiemaßnahmen. Da ein erster molekularer Mechanismus aber nun entschlüsselt ist, und die Bedeutung von Nef für die Erkrankung deutlicher wird, könnte sich das in Zukunft ändern.
(idw – Universitätsklinikum Heidelberg, 09.09.2009 – DLO)