Kein Nachkomme des Homo erectus
Das Ergebnis: Homo erectus war wahrscheinlich nicht der Vorfahre des Homo floresiensis. „Wenn man versucht, beide im Stammbaum miteinander zu verbinden, bekommt man ein nicht tragfähiges Ergebnis“, erklärt Argue. „Alle Tests ergaben, dass es einfach nicht passt – es ist einfach keine belegbare Theorie.“

Schädel des Homo floresiensis. Viele Merkmale dieses Frühmenschen sind erstaunlich archaisch. © Stuart Hay/ ANU
Einer der Gründe dafür: Der Hobbitmensch war in vielen Merkmale, darunter der Struktur des Kiefers, sogar noch archaischer als der Homo erectus, wie die Vergleiche ergaben. „Es wäre schwer zu erklären, warum eine solche Regression stattgefunden haben sollte – warum sollte sich der Kiefer des Homo erectus zurück zu einem primitiveren Zustand entwickeln, wie wir es beim Homo floresiensis sehen?“, fragt Argue.
Ihr Kollege Mike Lee von der Flinders University ergänzt: „Wir sind und zu 99 Prozent sicher, dass der Hobbitmensch nicht mit dem Homo erectus verwandt ist und fast 100-prozentig, dass er kein missgebildete Homo sapiens ist.“
„Bruder“ des Homo habilis?
Stattdessen könnte ein anderer Vormensch der nächste Verwandte der Hobbitmenschen gewesen sein: der Homo habilis. Er entwickelte sich vor knapp zwei Millionen Jahren in Afrika und damit etwas vor dem Homo erectus. „Unsere Analysen ergaben, dass Homo floresiensis wahrscheinlich eine Schwesterart des Homo habilis gewesen ist“, berichtet Argue.
Nach Angaben der Forscher sprechen ihre Merkmalsvergleiche dafür, dass Homo habilis und Homo floresiensis einen gemeinsamen Vorfahren hatten. Möglicherweise spaltete sich der Zweig der „Hobbits“ sogar noch vor dem Homo habilis von dieser Stammeslinie ab. „Homo floresiensis steht an einer sehr frühen, archaischen Position der menschlichen Evolution“, betont Lee. „Unsere Analyse liefert klare Indizien für eine enge Beziehung zum Homo habilis.“

Stammbaum mit Fragezeichen: Wer zu unseren Vorfahren gehörte und wer wirklich eine eigene Art bildetet, ist bis heute unklar. © gemeinfrei
Ursprung in Afrika oder woanders?
Wie und wo jedoch die Hobbitmenschen entstanden, ist nach wie vor unklar – vor allem, weil weder die Vorfahren des Homo habilis noch der Homo habilis selbst nach heutiger Erkenntnis je Afrika verlassen haben. Erst der Homo erectus und seine Zeitgenossen breiteten sich bis nach Asien aus, wie Fossilienfunde belegen.
Wie und warum der Homo floresiensis oder seine Vorfahren nach Indonesien gelangten, ist daher mehr als rätselhaft. „Es ist möglich, dass sich der Homo floresiensis in Afrika entwickelte und dann auswanderte“, mutmaßt Argue. „Es könnte aber auch sein, dass der gemeinsame Vorfahre Afrika verließ und dann erst aus ihm die Hobbitmenschen wurden.“ Letzteres würde besser zu der Vermutung stammen, dass die kleinwüchsige Gestalt des Homo floresiensis mit seinem Leben auf einer kleinen isolierten Insel zusammenhängt.
Weitere Analysen müssen nun zeigen, ob sich diese Rekonstruktion der Verwandtschafts-Verhältnisse und der Evolution der Hobbitmenschen bestätigt. (Journal of Human Evolution, 2017)
(Australian National University, 24.04.2017 – NPO)
24. April 2017