Eine einfache Hörhilfe kann Kindern mit Legasthenie das Lesenlernen erleichtern. Denn sie hilft ihrem Gehirn dabei, wichtige Sprachinformationen aus dem Gehörten herauszufiltern und zu verarbeiten. Das zeigt eine Studie US-amerikanischer Forscher mit Schulkindern, die an Lese-Rechtschreib-Schwäche litten. Ein Teil der Kinder trug ein Jahr lang während des Unterrichts einen kleinen Empfänger am Ohr, der die Stimme des mit einem Mikrophon ausgerüsteten Lehrers verstärkte. Nach der einjährigen Versuchszeit habe man sowohl bei der Sprachverarbeitung im Hörzentrum dieser Kinder als auch in ihrer Leseleistung deutliche Fortschritte festgestellt, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“. Die Hörhilfe habe dazu beigetragen, die für die Legasthenie typischen Beeinträchtigungen bei Verstehen von Sprachlauten zu bessern.
Wie die Forscher erklären, haben Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche meist Probleme damit, gehörte Sprache richtig zu verarbeiten. Ihr Hörzentrum wandelt wichtige Sprachlaute weniger effektiv um als bei Kindern ohne diese Störung. Dadurch fällt es Legasthenikern unter anderem schwer, ähnlich klingende Wörter und Laute zu unterscheiden, wie beispielsweise „Katze“ und „Tatze“. Sie lernen dadurch langsamer, Laute mit bestimmten Buchstaben zu verbinden. Zudem sei es für Legastheniker schwieriger, sich auch bei Störgeräuschen auf eine Stimme zu konzentrieren.
„Wir wollten wissen, ob speziell für den Schuleinsatz konzipierte Hörhilfen legasthenischen Kindern bei diesen Problemen helfen können“, schreiben Jane Hornickel von der Northwestern University in Evanston und ihre Kollegen. Bei diesen Systemen trägt der Lehrer ein Mikrophon, über das seine Stimme an kleine Empfänger am Ohr der Kinder übertragen wird. Das Kind hört dadurch den Lehrer auch dann noch laut und deutlich, wenn es viele ablenkende Störgeräusche gibt. Aus Erfahrungsberichten wisse man bereits, dass diese Systeme Kindern mit Aufmerksamkeitsstörungen und Lernschwächen helfen können, sagen die Forscher. Jetzt zeige sich, dass auch Legastheniker davon profitieren.
Schwächen vor allem bei Konsonanten
Die Wissenschaftler führten ihre Studie mit 38 legasthenischen Kindern zwischen 8 und 14 Jahren durch. Alle besuchten private Schulen, die speziell auf Kinder mit dieser Lese-Rechtschreib-Schwäche ausgerichtet waren. Zu Studienbeginn testeten die Forscher die Lesefähigkeit der Kinder und maßen die Aktivität in dem im Hirnstamm gelegenen Teil ihres Hörzentrums. Wie erwartet habe das Hörzentrum vor allem bei gehörten Konsonanten häufig falsche oder ungenaue Signale erzeugt, sagen Hornickel und ihre Kollegen. Die grundsätzliche Hörfähigkeit der Kinder sei aber völlig normal gewesen.
Die Hälfte der 38 teilnehmenden Kinder erhielt eine Hörhilfe und trug diese ein Jahr lang im Unterricht. Am Ende der Studienperiode wurden alle Kinder erneut getestet. „Bei den Kindern, die die Hörhilfen getragen hatten, reagierte das Hörzentrum konsistenter und genauer als noch ein Jahr zuvor“, berichten die Wissenschaftler. Auch das Lesen dieser Kinder habe sich deutlich verbessert. Bei denjenigen ohne die Hörhilfe sei das nicht der Fall gewesen. (doi:10.1073/pnas.1206628109)
(Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 04.09.2012 – NPO)