Darauf haben manche Frauen sicher gewartet: Das Hormon Oxytocin verbessert bei Männern die Fähigkeit, sich emotional in ihre Mitmenschen hineinzuversetzen. Die Substanz sensibilisiert zudem für so genannte „soziale Verstärker“ wie lobende oder tadelnde Gesichter. Das zeigt jetzt eine im „Journal of Neuroscience“ erschienene Studie.
Oxytocin gilt als „Kuschelhormon“. Bei werdenden Müttern löst es unter anderem die Geburtswehen aus, es stärkt zudem die emotionale Bindung zwischen Mutter und Neugeborenem. Freigesetzt wird Oxytocin aber auch in der Paarbindung, zum Beispiel beim Streicheln und in großen Mengen beim Orgasmus. Das Neuropeptid wird daher mit Gefühlen wie Liebe und Vertrauen in Verbindung gebracht. Jetzt haben Wissenschaftler der Universität Bonn und des Babraham-Instituts Cambridge unteuscht, wie sich das Hormon auf das Verhalten und die Psyche von Männern auswirkt.
An dem Experiment nahmen 48 gesunde Männer teil. Die eine Hälfte erhielt zu Beginn ein Oxytocin-haltiges Nasenspray, die andere ein Placebo. Danach zeigten die Forscher ihren Probanden Fotos von emotional aufgeladenen Situationen: ein weinendes Kind, ein Mädchen, das seine Katze umarmt, einen
trauernden Mann. Die Teilnehmer sollten nun angeben, inwieweit sie mit den abgebildeten Personen mitfühlten.
Mehr Empathie durch Oxytocin
„Die Oxytocin-Gruppe gab signifikant höhere emotionale Empathie-Werte zu Protokoll als die Placebo-Gruppe“, fasst René Hurlemann von der Klinik für Psychiatrie der Uni Bonn das Hauptergebnis zusammen. Dabei hatten die Teilnehmer der Placebo-Gruppe keineswegs Schwierigkeiten, den Ausdruck der abgebildeten Gesichter rational zu deuten. Die Oxytocin-Gabe bewirkte lediglich ein größeres emotionalesEinfühlungsvermögen: Die getesteten Männer erreichten Werte, wie sie sonst für
Frauen typisch sind. Normalerweise können diese in punkto Empathie einen deutlichen Vorsprung verbuchen.
Hormonspray verbessert Lernerfolg
In einem zweiten Versuch mussten die Teilnehmer am Computer einen einfachen Merktest absolvieren. Bei richtigen Antworten erschien auf dem Bildschirm ein lobendes, bei falschen ein tadelndes Gesicht.Alternativ erfolgte das Feedback über grüne (richtig) oder rote (falsch) Kreise. „Ganz allgemein war der Lernerfolg höher, wenn die Rückmeldung über Gesichter erfolgte“, erklärt Keith Kendrick vom Babraham-Institut. „Die Oxytocin-Gruppe sprach auf das mimische Feedback aber noch einmal deutlich besser an als die Placebo-Gruppe.“
Mandelkern für Oxytocin-Effekt verantwortlich?
Eine wichtige Rolle scheint in diesem Zusammenhang der so genannte Mandelkern spielen. Diese Hirnstruktur, fachsprachlich Amygdala genannt, ist an der emotionalen Bewertung von Situationen beteiligt.Einige Menschen leiden unter einer sehr seltenen Erbkrankheit, bei der der Mandelkern mehr und mehr in Mitleidenschaft gezogen wird.
„Wir hatten das Glück, zwei Patientinnen mit einem derartigen Amygdala- Defekt in unsere Studie einbeziehen zu können“, sagt Hurlemann. „Beide Frauen reagierten im Merktest wesentlich schlechter auf lobende oder tadelnde Gesichter als Teilnehmerinnen einer Kontrollgruppe. Außerdem war bei ihnen das emotionale Einfühlungsvermögen beeinträchtigt.“ Die Forscher vermuten daher, dass der Mandelkern für den Effekt des Oxytocins mit verantwortlich sein könnte.
Einfluss auf emotionales Einfühlungsvermögen belegt
„Unsere Studie zeigt zum ersten Mal, dass emotionales Einfühlungsvermögen durch Oxytocin moduliert wird und dass Ähnliches auch für Lernprozesse mit sozialen Verstärkern gilt“, sagt Hurlemann. Eventuell eigne sich das Hormon daher als Medikament bei Erkrankungen wie der Schizophrenie, die oft mit einem Verlust der sozialen Kontaktfähigkeit und sozialem Rückzug einhergingen.
(Universität Bonn, 30.04.2010 – NPO)