Messbare Gruselwirkung: An dem Ausspruch: „Mir stockt das Blut in den Adern vor Angst“ ist mehr dran als gedacht. Denn wenn wir einen Horrorfilm anschauen und uns dabei gruseln, nimmt in unserem Blut tatsächlich ein Gerinnungsfaktor messbar zu. Er allein reicht zwar nicht aus, um das Blut wirklich stocken zu lassen, aber diese Entdeckung belegt, dass sogar die Angst vor einem bloßem Film unser Blut verändert.
Egal ob wir Angst vor einer realen Gefahr haben oder uns nur genüsslich bei einem Horrorfilm gruseln – die körperliche Reaktion ist die Gleiche: Unser Herzschlag beschleunigt sich, die Haare stellen sich auf und wir spannen unwillkürlich die Muskeln an. Interessanterweise beschreiben Menschen unterschiedlicher Länder dieses Gefühl ganz ähnlich: „Mit stockt das Blut in den Adern“, sagen wir. Im Französischen heißt es „glacer le sang – das Blut gefrieren lassen“ und im Englischen spricht man von „bloodcurdling – blutgerinnend“.
Gerinnungsneigung steigt tatsächlich
Ob dieser Parallelen neugierig geworden, haben Banne Nemeth von der Universität Leiden und seine Kollegen nun überprüft, ob in diesen schon seit dem Mittelalter geläufigen Umschreibungen vielleicht ein Körnchen Wahrheit steckt. Für ihre Studie ließen sie 24 junge Probanden einen Horrorfilm oder einen neutralen Dokumentarfilm anschauen. Jeweils vor und nach jedem 90-minütigen Film entnahmen sie ihnen Blut und analysierten die darin enthaltenen Gerinnungsfaktoren. Außerdem sollten die Teilnehmer angeben, wie stark sie beim Filmschauen Angst hatten.
Das überraschende Ergebnis: Das Anschauen eines Horrorfilms hinterlässt tatsächlich Spuren im Blut: Bei der Mehrheit der Probanden, die den Horrorfilm gesehen hatten, war hinterher der Gerinnungsfaktor VIII im Blut messbar erhöht. Dieser Blutgerinnungsfaktor ist für das Stocken des Blutes entscheidend. Menschen mit Bluterkrankheit müssen sich diesen Faktor spritzen, weil sonst ihr Blut nicht gerinnt.
„Durchaus klinisch relevant“
Wie die Analysen ergaben, stieg nach dem Anschauen des Horrorfilms die Menge des Blutgerinnungsfaktors VIII bei den Probanden im Mittel um 11,1 Einheiten pro Deziliter. „Das könnte durchaus klinisch relevant sein“, so Nemeth und seine Kollegen. „Denn jeder Anstieg um zehn Einheiten pro Deziliter erhöht das Risiko für eine Thrombose um 17 Prozent.“
Allerdings: Andere an der Blutgerinnung beteiligte Zellen und Moleküle blieben trotz intensiven Gruselns unverändert. „Das deutet darauf hin, dass die Gerinnungskaskade zwar von der akuten Angst beeinflusst wurde, dies aber nicht zum akuten Stocken des Blutes durch die Bildung von Thrombin und Fibrin führt“, erklären die Forscher. Angst vor einer Aderverstopfung als Nachwirkung eines Horrorfilms muss man daher wohl nicht haben.
Biologisch sinnvoll
Nach Ansicht der Wissenschaftler spricht dies dafür, dass die Umschreibungen eines vor Angst stockenden Blutes durchaus eine reale Basis haben: „Der seit Jahrhunderten in der Literatur erwähnte Begriff ‚bloodcurdling‘ ist gerechtfertigt“, so Nemeth und seine Kollegen.
Und biologisch gesehen ist diese Reaktion des Körpers sogar recht gut erklärbar: Angst vor Gefahr bedeutete bei unseren Vorfahren meist, dass ein Kampf bevorstand – gegen einen Feind oder ein Raubtier. Schüttet der Körper dabei schon mal prophylaktisch Gerinnungsfaktoren aus, kann dies dazu beitragen, das Blut bei Verletzungen schneller stocken zu lassen und so den Blutverlust zu verringern. (British Medical Journal (BMJ), 2015; doi: 10.1136/bmj.h6367)
(BMJ, 29.12.2015 – NPO)