Biologie

Hummeln: Das Süßeste ist nicht immer das Beste

Zu zuckerreicher Nektar erschwert Bestäubern das "Auskotzen" ihrer Ernte

Hummel
Für ihre Bestäuberdienste werden Hummeln süß entlohnt: mit Nektar. © Евгений Хабаров/ iStock.com

Klebriges Lockmittel: Sehr süßer Nektar versorgt Hummeln mit viel Energie – trotzdem ist es für sie mitunter besser, Blütensaft mit geringerem Zuckergehalt zu sammeln. Denn: Mit zunehmender Süße wird der Nektar zähflüssiger. Das erschwert den Bestäubern nicht nur das Trinken, sondern auch das anschließende „Auskotzen“ des Nektars im Nest, wie Experimente enthüllen. Aus Effizienzgründen kann daher der weniger süße Blütensaft die bessere Wahl sein.

Viele Pflanzen sind auf die Hilfe tierischer Bestäuber angewiesen, um sich fortzupflanzen und Früchte zu tragen. Aus diesem Grund buhlen sie regelrecht um die Gunst von Bienen und Co. Dabei setzen sie verlockende Farben und Düfte, aber vor allem auch energiereichen Nektar als Lockmittel ein. Je mehr Zucker dieser Blütensaft enthält, desto nahrhafter ist die Belohnung für die Insekten – trotzdem kann ein zu hoher Zuckergehalt kontraproduktiv für die Blütenbesucher sein.

Denn: Je süßer der Nektar, desto zähflüssiger ist er auch – das erschwert das Trinken, macht es energieaufwändiger und hält die Bestäuber beim Nahrungsammeln auf. „Die Zuckerkonzentration des Nektars beeinflusst die Dauer der Futtersuche und daher das Sammelverhalten“, erklärt Jonathan Pattrick von der University of Oxford. „Insekten wie Hummeln müssen einen Nektar finden, der zwar energiereich ist, aber sie gleichzeitig nicht zu viel Zeit kostet.“

Experiment mit „kotzenden“ Hummeln

Doch nicht nur die Zeit und Energie, die beim Trinken benötigt wird, ist in diesem Zusammenhang entscheidend. Zurück im Nest befördern Hummeln den aufgenommenen Nektar wieder zutage, um ihn als Vorrat anzulegen. Kurzum: Sie kotzen die zuckerhaltige Lösung förmlich aus – und das darf aus Effizienzgründen nicht zu lange dauern. Inwiefern aber beeinflusst die Zuckerkonzentration des Nektars, wie schnell die Insekten ihre Ladung wieder loswerden?

Dies haben Pattrick und seine Kollegen nun am Beispiel einer der häufigsten Hummelarten Europas untersucht, der Dunklen Erdhummel (Bombus terrestris). Für ihre Studie im Labor ließen sie Arbeiter-Hummeln aus drei Kolonien Zuckerlösungen mit Konzentrationen von 35, 50 oder 65 Prozent Zucker sammeln. Dabei dokumentierten sie unter anderem, wie lange die Insekten benötigten, um den Nektar in ihrem künstlichen Nest auszukotzen – in der Fachsprache wird das regurgitieren genannt.

Mit viel Zucker dauert’s länger

Die Ergebnisse zeigten: „Bei eher flüssigem Nektar flogen die Hummeln schon nach wenigen Sekunden wieder los, um neues Futter zu suchen. Doch bei sehr zäher Flüssigkeit benötigten sie manchmal fast eine Minute lang“, berichtet Pattrick. Demnach sinkt mit zunehmender Zuckerkonzentration auch das Regurgitationstempo.

Tatsächlich geht die Kotzrate dabei sogar schneller zurück als die Trinkrate, wie die Wissenschaftler herausfanden. „Es ist schon schwierig, eine dicke, klebrige Flüssigkeit zu trinken. Aber stellen Sie sich vor, Sie müssten diese durch eine Art Strohhalm wieder hinaufziehen und ausspucken – das ist noch schwieriger“, sagt Pattrick.

Konflikt zwischen Trinken und Abladen

Was aber ist nun die optimale Zuckerkonzentration für die Hummeln? Um dies herauszufinden, kombinierten die Forscher die Daten aus ihrem Experiment mit Modellberechnungen. Demnach ist eine Konzentration von rund 35 Prozent der optimale Kompromiss aus Ertrag und Aufwand – zumindest beim Entladungsprozess. Beim Trinken des Nektars liegt der optimale Zuckergehalt dagegen zwischen 50 und 60 Prozent, wie bereits aus früheren Untersuchungen bekannt war.

„Es besteht somit ein Konflikt zwischen Trinken und Abladen“, erklären Pattrick und seine Kollegen. Weitere Analysen zeigten allerdings: Betrachtet man den gesamten Prozess der Futtersuche, ist der Einfluss des Regurgitierens auf die optimale Zuckerkonzentration gering. „Das Entladen hat dann nur einen kleinen Effekt von drei Prozent. Dies liegt daran, dass es deutlicher schneller geht als das Trinken“, so die Forscher.

Auch die Trinktechnik entscheidet

In der Natur beeinflussen zusätzlich auch andere Faktoren, welchen Nektar die Bestäuber bevorzugen sollten: Sowohl die chemische Zusammensetzung des Blütensafts und die Umgebungstemperatur als auch die Flugzeit zur Blüte und die Dauer des Ausflugs spielen unter anderem eine Rolle dabei, wie Pattricks Team erklärt.

Welche Zuckerkonzentration die beste Energieausbeute bringt, ist darüber hinaus artabhängig – dies liegt an den unterschiedlichen Trinktechniken der Insekten. So nehmen Hummeln und Honigbienen den süßen Saft auf, indem sie ihn mit ihrer Zunge auflecken. Andere Spezies wie Pracht- oder Orchideenbienen saugen den Nektar auf anstatt ihn zu lecken, das Gleiche gilt für Schmetterlinge. Diese Insekten haben mit sehr süßem, zähflüssigem Nektar noch mehr zu kämpfen und besuchen daher Pflanzen mit flüssigerem Blütensaft.

Nutzen für die Landwirtschaft?

Insgesamt hoffen die Forscher, dass ihre Erkenntnisse eines Tages auch einen Nutzen für die Landwirtschaft bringen: „Die Zahl der Insekten wird weltweit immer weniger, gleichzeitig müssen wir immer mehr Menschen satt machen. Es ist daher entscheidend, dass wir die Bestäuber, die wir noch haben, besser nutzen“, erklärt Mitautorin Beverley Glover von der University of Cambridge.

„Diese Arbeit kann uns dabei helfen herauszufinden, welche Blüten und Pflanzen Bienen bevorzugt besuchen und so wertvolle Hinweise für die Zucht von Nutzpflanzen liefern“, betont die Forscherin. Zunächst müssen weitere Beobachtungen jedoch genauere Einblicke darin liefern, wie sich Hummeln und Co in der Praxis verhalten und welche Faktoren für ihre Sammelpräferenzen wirklich am wichtigsten sind. (Journal of the Royal Society Interface, 2020; doi: 10.1098/rsif.2019.0632)

Quelle: University of Cambridge

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