Biologie

Hummeln lösen Farbrätsel

Sehsystem weitaus komplexer und leistungsfähiger als angenommen

Hummel © IMSI MasterClips

Bienen und Hummeln haben ein erheblich weiter entwickeltes Sehsystem als bisher angenommen. Das hat eine Studie ergeben, in der die Insekten zum Erstaunen der Forscher komplizierte Farbtests erfolgreich lösen konnten. Offenbar hilft ihnen die Erfahrung dabei, unterschiedliche Oberflächen auch bei verschiedenfarbiger Beleuchtung wieder zu erkennen.

Wissenschaftler des University College London trainierten Hummeln zunächst darauf, künstliche Blüten einer bestimmten Farbe anzufliegen, um sich eine Nektarbelohnung abzuholen. Dann testeten sie die Fähigkeit der Tiere, die gleichen Blüten auch in Szenarien zu identifizieren, bei denen die Blüten mit Licht in vier unterschiedlichen Farben angestrahlt wurden – UV-gelb, blau, gelb und grün. Um diesen Farbtest lösen zu können, mussten die Hummeln das Szenario zunächst in seine unterschiedlichen Lichtzonen aufteilen und dann die korrekten Blüten in jeder Region identifizieren und anfliegen.

Anpassen an Durchschnitt reicht nicht

„Obwohl wir wussten, dass die Hummeln Blüten auch unter verschiedener globaler Beleuchtung erkennen können, war uns nicht bekannt, ob ihnen dieses auch unter komplexeren Verhältnissen gelingt, jenen, die letztlich für die Natur typischer sind, wie beispielsweise das Licht- und Schattenspiel auf dem Boden eines Waldes“, erklärt Beau Lotto vom Institut für Ophtalmologie des University College.

„Wenn alle Oberflächen in einer Szene unter dem gleichen Licht stehen, ist es relativ leicht, eine bestimmte Oberfläche auch dann zu identifizieren, wenn sich der globale Lichteinfall ändert. Denn das visuelle System muss sich nur an die durchschnittliche Farbe der Szene anpassen – ähnlich wie sich die Augen an die Dunkelheit in einem Kinosaal anpassen“, so der Forscher. „Weitaus schwieriger ist es aber, eine Oberfläche oder ein Objekt unter mehreren unterschiedlichen Lichtregimes gleichzeitig zu erkennen, da dann die Anpassung an die ‘Durchschnittfarbe’ nicht funktioniert.”

Die neue Studie demonstriert, dass das winzige Gehirn der Hummeln offensichtlich nicht nur diese schwierige Aufgabe bewältigt, die noch nicht einmal die modernsten Computer lösen können, sondern deutet auch an, wie ihnen dieses Kunststück gelingt: Offenbar werten sie dafür die Farbverhältnisse zwischen den Objekten aus, die sie in vorangegangenen Erfahrungen beobachtet haben.

Menschen- und Hummelsicht nach gleichem Prinzip

„Weil genau diese Strategie auch vom Menschen eingesetzt wird, kann unsere Arbeit mit den Hummeln in Verbindung mit der Erforschung des menschlichen Sehsystems dazu beitragen, die allgemeinen Prinzipien besser zu verstehen, auf deren Basis alle visuellen Systeme – sei es natürliche oder aber künstliche – nützliche Information auch aus nicht-eindeutigen Wahrnehmungen extrahieren“, erklärt Lotto.

Eines der langfristigen Ziele der Forscher ist es, diese Erkenntnisse auch für die Entwicklung von Roboter-Sehsystemen zu nutzen. Keiner der bisherigen Modelle kann lernen, wie die Bienen und Hummeln, eine einfache Blüte in einer Blumenwiese finden. „Unser Labor hat eine speziell angepasste Bienenflugarena in der virtuellen Realität konstruiert, in der virtuelle, autonom agierende Bienen unter den gleichen Bedingungen gestestet und entwickelt werden können wie die von unseren realen Hummeln erlebten.“ Die Ergebnisse der Studie wurden in der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.

(University College London, 02.11.2005 – NPO)

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