Wer ist intelligenter – Hund oder Katze? Eine neue Antwort auf diese alte Streitfrage liefert jetzt die Neurobiologie. Denn Forscher haben die Zahl der Hirnzellen bei verschiedenen Fleischfressern verglichen. Das Ergebnis: Hunde haben gut doppelt so viele Neuronen wie Katzen – allerdings auch ein größeres Gehirn. Ob ihnen das automatisch eine höhere Intelligenz verleiht, darüber darf nun weiter gestritten werden.
Klar scheint: Sowohl Hunde als auch Katzen haben beträchtliche geistige Fähigkeiten. So zeigen Studien, dass die nur halb domestizierten Katzen das Prinzip von Ursache und Wirkung erfassen können. Hunde glänzen dagegen vor allem durch ihre soziale Intelligenz: Sie lesen unsere Sprache ähnlich wie wir und sind zur Perspektivübernahme fähig – eine als typisch menschlich geltende Fähigkeit.
Wer hat mehr Neuronen im Gehirn?
Doch welche Art ist intelligenter? Auf diese Antwort gibt es bisher keine endgültige Antwort. Jetzt haben sich Suzana Herculano-Houzel von der Universität von Rio de Janeiro und ihre Kollegen dieser Frage auf biologische Weise genähert: Sie haben erstmals die Zahl der Hirnzellen in der Großhirnrinde von acht verschiedenen Carnivoren-Arten gezählt und das Verhältnis von Neuronenzahl zu Hirngröße ermittelt.
„Ich denke, dass die absolute Zahl der Neuronen – vor allem im Cortex – bestimmt, wie reich der mentale Zustand eines Tieres ist und wie gut es auf Basis vergangener Erfahrungen vorhersagen kann, was in seiner Umwelt passieren wird“, erklärt Studienleiterin Suzana Herculano-Houzel von der Vanderbilt University. Die Forscher verglichen neben Hund und Katze auch die Gehirne von Frettchen, Manguste, Hyäne, Löwe, Waschbär und Braunbär.
Hund hat die Nase vorn
Das Ergebnis: Der Hund besitzt rund 530 Millionen kortikale Neuronen, die Katze nur rund 250 Millionen. Damit hat der Hund gut doppelt so viele „kleine graue Zellen“ wie die Katze – allerdings auch ein größeres Gehirn. Entgegen vorheriger Annahmen ergab die Studie auch, dass die domestizierten Vertreter der Carnivora – Hund, Katze und Frettchen – nicht weniger Hirnzellen besitzen als ihre wilden Verwandten.
„Für mich bedeuten unsere Ergebnisse, dass Hunde rein biologisch gesehen die Fähigkeit besitzen, komplexere und flexiblere Dinge mit ihrem Leben anzustellen als Katzen“, sagt Herculano-Houzel. „In jedem Fall haben wir damit jetzt ein paar biologische Fakten, die die Leute mit in ihre Diskussion darüber einbeziehen können, wer intelligenter ist – Hund oder Katze.“
Bei großen Fleischfressern ebbt es ab
Die Ergebnisse enthüllten aber noch mehr: So zeigten sie, dass die Zahl der Neuronen bei den Fleischfressern zwar proportional zur Hirngröße zunimmt – aber nur bis zu einer gewissen Grenze: Bei großen Carnivoren flacht die Kurve ab. So hat das Gehirn eines Golden Retriever mehr Neuronen als das einer Hyäne, eines Löwen oder eines Braunbären, obwohl diese Tiere ein bis zu dreifach größeres Denkorgan besitzen.
Der Braunbär ist dabei ein Extremfall: Sein Gehirn ist zehnmal größer als das einer Katze, dennoch hat er nicht mehr Neuronen als sie. Die Forscher vermuten, dass dies mit dem enormen Energiehunger des Gehirns zusammenhängt: Je mehr Hirnzellen das Denkorgan besitzt, desto mehr Energie benötigt es. Bei sehr großen Fleischfressern werden diese Kosten so hoch, dass sie einen Kompromiss eingehen mussten: Sie entwickelten ein großes Gehirn, aber sparten bei den Neuronen.
Waschbär toppt sie alle
Überraschend auch: Das Tier mit den meisten Neuronen in Bezug auf seine Hirngröße ist der Waschbär. Obwohl sein Denkorgan etwa so groß ist wie das Gehirn der Katze, enthält es doppelt so viele Hirnzellen. „Waschbären sind nicht sehr typisch für Carnivoren“, erklärt Herculano-Houzel. „Sie haben eine Neuronendichte, wie man sie sonst bei Primaten findet – das ist wirklich viel.“
Und noch etwas Unerwartetes enthüllte die Neuronenzählung: Entgegen vorheriger Annahmen haben Carnivoren nicht mehr Hirnzellen als ihre pflanzenfressenden Beutetiere – obwohl ihre jagende Lebensweise als geistig anspruchsvoller gilt. „Carnivoren haben etwa das gleiche Verhältnis zwischen kortikaler Masse und Neuronenzahl“, berichten die Forscher. „Das spricht dafür, dass sie den gleichen evolutionären Skalierungsregeln folgen wie andere Nichtprimaten-Arten.“ (Frontiers in Neuronanatomy, 2017; doi: 10.3389/fnana.2017.00118)
(Vanderbilt University, 30.11.2017 – NPO)