Schleichende Vergiftung durchs Hundefutter? In den letzten 30 Jahren hat die Spermienqualität bei Hunden deutlich abgenommen, wie eine britische Studie enthüllt. Gleichzeitig fanden die Forscher vermehrt Umweltgifte wie PCB und polybromierte Diphenylether (PBDE) in den Hoden der betroffenen Rüden. Weil die gleichen Schadstoffe auch in Proben gängiger Hundefutter vorkommen, lege dies einen Zusammenhang nahe, berichten die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“.
Langlebige organische Schadstoffe finden sich heute nahezu überall in unserer Umwelt und Nahrungskette – ob bei Meeressäugern, in Fischen oder im Mikroplastik unserer Flüsse. Sogar in der Muttermilch lassen sich noch immer erhöhte Werte von Polychlorierten Biphenylen (PCB) nachweisen – obwohl diese Giftstoffe schon seit 2001 weltweit verboten sind.
Jetzt haben Richard Lea von der University of Nottingham und seine Kollegen eine mögliche Folge dieser Umweltgifte sogar beim engsten Freund des Menschen nachgewiesen: dem Hund. Für ihre Studie haben die Forscher über 26 Jahre hinweg die Spermienqualität und Fruchtbarkeit von Hunden in einer Zucht für Assistenzhunde untersucht. Zu den dort gezüchteten Rassen gehören Labradore, Golden Retriever, Border Collies, Deutsche Schäferhunde und Curly-Coated Retriever.
Spermien beeinträchtigt
Dabei zeigte sich: Im Laufe der knapp 30 Jahre hat die Spermienqualität der Hunderüden stetig abgenommen. Der Anteil der beweglichen Spermien sank bis 1998 um 2,5 Prozent jährlich, dann von 2002 bis 2014 um 1,2 Prozent pro Jahr, wie die Forscher berichten. Gleichzeitig häuften sich bei den männlichen Welpen dieser Hunde Fälle von Hodenhochstand.
„Das ist das erste Mal, dass wir bei Hunden einen solchen Abfall in der männlichen Fruchtbarkeit beobachtet haben“, sagt Lea. Da es in dieser Zuchtstation keine Hinweise auf Inzucht gab und die Forscher auch keine genetische Ursache für diese Entwicklung finden konnten, richtete sich ihr Verdacht auf Umwelteinflüsse.
Umweltgifte im Hoden
Um das zu überprüfen, analysierten die Forscher das Hodengewebe von Hunden, die kastriert worden waren. Tatsächlich wurden sie fündig: „Wir haben sieben PCB-Varianten, fünf Verbindungen aus der Gruppe der polybromierten Diphenylether (PBDE) und den Weichmacher Diethylhexylphthalat (DEHP) im Hodengewebe der Hunde nachgewiesen“, berichten die Wissenschaftler.
Die gleichen hormonähnlich wirkenden Schadstoffe entdeckten die Forscher auch bei Analysen der Samenflüssigkeit der Zuchthunde. „Es ist bereits bekannt, dass diese Chemikalien im Hoden die Beweglichkeit und Lebensfähigkeit von Spermien schädigen“, konstatieren Lea und seine Kollegen. „Daher könnte dies der Grund dafür sein, warum die Fruchtbarkeit dieser Hunde abgenommen hat.“
Über das Hundefutter aufgenommen
Gestützt wird ihre Vermutung durch einen weiteren Fund: Als die Forscher gängiges Hundefutter auf diese organischen Schadstoffe hin untersuchten, fanden sie dort die gleichen Umweltgifte: „Alle zwölf in den Hundehoden nachgewiesenen Schadstoffe fanden sich in den 15 untersuchten Hundefuttersorten“, berichten die Wissenschaftler.
Ihrer Ansicht nach spricht dies dafür, dass die Hunde diese organischen Schadstoffe über ihr Futter aufgenommen haben müssen. Besonders bedenklich: „Ein speziell für Welpen entwickeltes Trockenfutter hatte höhere Konzentrationen von vier PCBs und einem polybromierten Diphenylether als alle anderen Futterproben“, so Lea und seine Kollegen.
Ähnlicher Effekt auch beim Menschen?
Zwar müssen weitere Untersuchungen den Zusammenhang noch bestätigen, aber die Forscher sehen in ihren Ergebnissen klare Hinweise darauf, dass Umweltgifte die Fruchtbarkeit von Hunden – und möglicherweise auch uns Menschen beeinträchtigen. „Der Hund könnte eine Art Frühwarner für uns Menschen sein – er teilt mit uns die gleiche Umwelt, leidet an den gleichen Krankheiten und reagiert in ähnlicher Weise auf Therapien“, sagt Lea.
Schon seit einigen Jahrzehnten gibt es auch beim Menschen Indizien für eine nachlassende Spermienqualität und eine zunehmende Unfruchtbarkeit bei Männern. Als Ursachen im Verdacht stehen ebenfalls hormonähnlich wirkende Substanze, darunter einige Weichmacher, Desinfektionsmittel, Inhaltsstoffe von Sonnenmilch und andere Umweltchemikalien. (Scientific Reports, 2016; doi: 10.1038/srep31281)
(University of Nottingham, 10.08.2016 – NPO)