Doppelte Zähmung: Die heutigen Haushunde haben gleich zwei Wurzeln. Denn ihre Vorfahren wurden vor rund 15.000 Jahren sowohl in Europa als auch in Ostasien erstmals domestiziert, wie neue Genanalysen enthüllen. Erst einige tausend Jahre später vermischten sich die beiden unabhängig entstandenen Urhund-Populationen miteinander – unter anderem, als Steppenreiter aus dem Osten nach Europa einwanderten, wie Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Der Hund begleitet uns Menschen schon seit Jahrtausenden – soviel ist klar. Alles andere als klar ist dagegen, wo und wann unsere Vorfahren begannen, Wölfe zu zähmen und die ersten Hunde zu züchten. Einer Theorie nach fand diese Domestikation zuerst im Nahen Osten statt – dort, wo vor gut 10.000 Jahren auch die Landwirtschaft ihren Anfang nahm.
2011 lieferten DNA-Vergleiche des Y-Chromosoms von Hunden jedoch Indizien dafür, dass die Vierbeiner stattdessen in Südostasien zuerst gezüchtet wurden. Zwei Jahre später sprach eine Analyse der mitochondrialen DNA dagegen für einen europäischen Ursprung des Haushunds.
Zweimal domestiziert
Mehr Klarheit in dieses Durcheinander widersprüchlicher Daten haben nun Laurent Frantz von der University of Oxford und seine Kollegen gebracht. Für ihre Studie analysierten sie die mitchondriale DNA von 59 Hundefossilien, darunter einem 4.800 Jahre alten Hund, der im Ganggrab von Newgrange in Irland gefunden worden war. Durch Genvergleiche untereinander und mit modernen Hunden gelang es den Forschern, eine Art Haushund-Stammbaum zu rekonstruieren.
Dabei zeigte sich Überraschendes: Offenbar machte der Mensch den Wolf nicht nur einmal zum Hund, sondern mindestens zweimal – und das an weit entfernten Enden des Eurasischen Kontinents. Sowohl in Ostasien als auch in Europa wurden vor rund 15.000 Jahren die ersten Hunde gezüchtet. Schon in der Altsteinzeit existierten damit in beiden Regionen eigene Hundepopulationen, wie die Forscher berichten.
Dies könnte erklären, warum es bisher so widersprüchliche Ergebnisse gab. „Vielleicht gab es deshalb bisher keine Einigkeit darüber, wo die Hunde domestiziert wurden, weil jeder ein bisschen Recht hatte“, sagt Seniorautor Greger Larson von der University of Oxford.
Einwanderung von Menschen und Hunden aus dem Osten
Doch bei dieser säuberlichen Trennung blieb es nicht: In einer Zeitperiode vor 14.000 bis 6.400 Jahren kam es zu einem starken Austausch der beiden ersten Hundepopulationen. In den Gendaten stießen die Forscher auf eine plötzliche, starke Ausdünnung der genetischen Vielfalt unter den europäischen Urhunden, gefolgt von einem Einstrom „östlicher“ Genmuster.
„Dies spricht dafür, dass die frühe einheimische Hundepopulation Europas zu dieser Zeit durch ostasiatische Hunde teilweise ersetzt wurde“, erklären die Forscher. Wahrscheinlich brachten sowohl die ersten Bauern, als auch die aus Zentralasien einwandernden Reiternomaden der Jamnaja-Kultur ihre Hunde nach Europa mit – und blieben dann mitsamt ihrer Haustiere dort.
Neuzeitliche Mischung
Als Folge dieser urzeitlichen Wanderungen sind die meisten heutigen Hunde eine Mischung des ursprünglichen westasiatischen und ostasiatischen Typs – was erklärt, warum es so schwer ist, ihre genetische Herkunft zu entschlüsseln:
„Die Vergangenheit aus moderner DNA zu rekonstruieren ist ein wenig wie der Blick in ein Geschichtsbuch: man weiß nie, ob nicht entscheidende Teile weggelassen wurden“, erklärt Frantz. „Urzeitliche DNA dagegen ist wie eine Zeitmaschine, sie erlaubt es uns, die Vergangenheit direkt zu untersuchen.“ (Science, 2016; doi: 10.1126/science.aaf3161)
(University of Oxford, 03.06.2016 – NPO)