Manipulierte Wahrnehmung: Hypnose kann eine der Synästhesie sehr ähnliche Verknüpfung von Farben und Formen auslösen – zumindest bei einigen Menschen. Diese sehen dadurch bestimmte Symbole nicht mehr in ihrer realen Farbe, sondern in der ihnen zuvor unter Hypnose suggerierten, wie ein Experiment belegt. Diese manipulierte Farbwahrnehmung ähnelt in einigen Aspekten der angeborenen Synästhesie – aber nicht in allen, wie die Forscher betonen.
Für Menschen mit Synästhesie sind die Eindrücke verschiedener Sinne nicht getrennt, sondern verschmelzen miteinander. Dadurch sehen sie beispielsweise Zahlen und Buchstaben in bestimmten Farben oder „riechen“ Musik. Wodurch diese meist angeborene Fähigkeit zum „Farbenhören“ oder „Wörterschmecken“ ausgelöst wird, ist bis heute rätselhaft. Es gibt aber erste Hinweise, dass Gene zumindest mitverantwortlich sind. Auch anomal starke Verknüpfungen zwischen verschiedenen Hirnarealen werden als Ursachen diskutiert.
Suggestion in der Hypnose
Jetzt haben Sakari Kallio und seine Kollegen von der Universität Turku herausgefunden, dass eine der Synästhesie zumindest sehr ähnliche Wahrnehmung auch durch Hypnose erzeugt werden kann – zumindest bei einigen Menschen. Für ihre Studie versetzten die Forscher vier gut hypnotisierbare und vier kaum dafür anfällige Probanden in Hypnose.
Während dieses tranceähnlichen Zustands zeigten sie den Teilnehmern drei verschiedene geometrische Formen – Kreise, Kreuze und Quadrate – und suggerierten ihnen, dass jede Form immer in einer bestimmten Farbe erscheint. Dann wurden die Teilnehmer geweckt und absolvierten einen scheinbar simplen Test: Sie sollten jeweils möglichst schnell angeben, welche Farbe die auf einem Bildschirm nacheinander eingeblendeten Symbole hatten. Diesen Test hatten alle Probanden auch schon vor der Hypnosesitzung durchgeführt.
Rot statt blau
Es zeigte sich: „Drei der vier stark hypnotisierbaren Probanden zeigten eine starke Synästhesie-ähnliche Verknüpfung zwischen Form und Farbe“, berichtet Kallio. Obwohl beispielsweise der gesehene Kreis in Wirklichkeit blau war, nannten sie ihn rot – die zuvor in der Hypnose suggerierte Farbe. Teilweise geschah dies, ohne dass sich die Probanden der vorhergehenden Suggestion bewusst waren.
Diese Teilnehmer antworteten zudem verzögert – auch dies ein Hinweis darauf, dass es Konflikte zwischen der realen Wahrnehmung und dem zuvor unter Hypnose suggerierten gab, wie die Forscher erklären. Bei den kaum hypnotisierbaren Probanden traten diese Effekte dagegen nicht auf und auch eine Kontrollgruppe, die zuvor ohne Hypnose eine bestimmte Farb-Form-Zuordnung trainiert hatte, zeigte diese Reaktion nicht.
Der Synästhesie ähnlich, aber nicht gleich
„Unsere Ergebnisse zeigen eindeutig, dass hypnotische Suggestionen einen Zustand hervorrufen können, der der Synästhesie ähnlich ist“, sagen die Forscher. Anomale Hirnverknüpfungen seien demnach keine Voraussetzung für solche Wahrnehmungsphänome. „Dies bestätigt auch frühere Studien, nach denen Hypnose bei empfindlichen Personen sogar visuelle Halluzinationen auslösen kann“, so Kallio.
Allerdings: Trotz aller Ähnlichkeiten zur echten, angeborenen Synästhesie gab es auch klare Unterschiede. So assoziieren Synästheten zwar eine Farbe mit bestimmten Symbolen, diese überdeckt aber die reale Farbe nicht komplett. „Unsere Probanden berichteten, dass das Objekt die suggerierte Farbe hatte. Menschen mit Graphem-Farb-Synästhesie sehen die Farbe dagegen typischerweise irgendwo über dem Symbol“, so die Forscher.
Einblicke in unser Bewusstsein
Nach Ansicht von Kallio und seinen Kollegen spricht dies dafür, dass der neurologische Mechanismus hinter der angeborenen und der hypnoseinduzierten Synästhesie nicht der gleiche ist. „Dennoch ist es wahrscheinlich, dass beide gewisse neurologische Merkmale miteinander teilen“, sagen die Forscher. Deswegen könnte die weitere Erforschung von hypnoseinduzierten Synästhesien und Halluzinationen durchaus dabei helfen, das Rätsel des „Farbenhörens“ aufzuklären.
Auch über andere Mechanismen unserer Wahrnehmung könnten wir so mehr erfahren: „Solche Erfahrungen zu erforschen verbessert unser Verständnis der Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit und der Automatisierung neurologischer Abläufe“, erklären Kallio und seine Kollegen. „Das eröffnet einzigartige Möglichkeiten für die kognitive Neurowissenschaft und die Erforschung des Bewusstseins.“ (Scientific Reports, 2017; doi: 10.1038/s41598-017-16174-y)
(University of Turku, 18.12.2017 – NPO)