Bei der Frage nach ihrer bevorzugten oder "dominanten" Hand können die meisten Menschen eindeutig auf ihre rechte oder linke Hand verweisen – nur wenige bezeichnen sich selbst als Beidhänder. Diese eindeutige Bevorzugung einer Hand lässt jedoch im Alter nach, ohne dass dies einem selbst bewusst wird: Eine neue Studie zeigt, dass die dominante Hand an Feingefühl verliert und im Alltag zunehmend von der anderen Hand unterstützt wird.
Zur Erfassung der Händigkeit werden häufig standardisierte Befragungen eingesetzt, bei denen die bevorzugte Hand für verschiedene Tätigkeiten des alltäglichen Lebens erfragt wird. Bei diesen Befragungen zur Handpräferenz wurde in der Vergangenheit eher eine Verstärkung der Rechtshändigkeit mit zunehmendem Alter festgestellt – aber eben nur auf Grundlage von introspektiven Überlegungen. Forscher der Ruhr-Universität Bochum um Tobias Kalisch haben diese Annahme jetzt durch die Untersuchung der Handdominanz von 96 rechtshändigen Menschen im Alter von 20 bis 90 Jahren näher überprüft. Über ihre Ergebnisse berichten sie in dem zum Jahresende neu erscheinenden Journal "PLoS ONE".
Rechte Hand lässt nach
Die Neurowissenschaftler kombinierten im ersten Experiment ihrer Studie die herkömmlichen Befragungstests mit einer Reihe von praktischen Tests zur Feinmotorik. Während bei jungen Rechtshändern die rechte Hand der linken überlegen ist, stellten sie fest, dass sich die Leistungen der rechten und linken Hand mit zunehmendem Alter merklich angleichen.
"Diese Entwicklung konnte auf einen stärkeren altersbedingten feinmotorischen Leistungsverlust der rechten Hand zurückgeführt werden", erklärt Kalisch. Zusätzlich rüsteten die Forscher im zweiten Experiment Testpersonen verschiedenen Alters mit Bewegungssensoren aus, die die Bewegungen der Hände in ganz alltäglichen Situationen über einen längeren Zeitraum aufzeichneten. Diese unter Alltagsbedingungen erhobenen Daten stützten die Aussagen des ersten Experiments und zeigten, dass ältere Versuchspersonen die nicht-dominante linke Hand häufiger im Alltag benutzen als jungen Versuchspersonen das tun.
Angleichung verläuft unmerklich
"Die Aussagen der Tests zur feinmotorischen Leistungsfähigkeit und zum Handgebrauch unter Alltagsbedingungen stehen im Widerspruch zu den durchgeführten Befragungen der Versuchspersonen, bei denen sich immer eine deutliche Rechtshändigkeit dargestellt hatte", fasst Dr. Dinse zusammen. "Man kann also schlussfolgern, dass ältere Menschen davon überzeugt sind, immer noch bevorzugt die rechte Hand zu gebrauchen – aber beim tatsächlichen Einsatz der Hände mehr und mehr auch die linke Hand zum Einsatz kommt."
"Use it – or lose it"
Da die Entwicklung hin zur funktionellen Beidhändigkeit im Alter in erster Linie durch einen starken Leistungsverlust der rechten Hand verursacht wird, nehmen die Wissenschaftler an, dass anspruchsvolle manuelle Tätigkeiten, die zum Erhalt der feinmotorischen Leistung beitragen, diese Entwicklung verhindern oder abschwächen können. Also gilt auch im Bezug auf die menschliche Handdominanz die in der Altersforschung gebräuchliche Aussage "Use it – or lose it".
(Ruhr-Universität Bochum, 21.12.2006 – NPO)