Biologie

Ist unsere Hitzetoleranz geringer als gedacht?

Bisheriger Grenzwert für gefährlich schwülheiße Temperaturen könnte zu hoch liegen

Hitze
Wo liegt die Obergrenze unserer Hitzetoleranz? © ugurhan/ iStock.com

Die Toleranz des Menschen gegenüber schwülheißem Wetter ist offenbar geringer als bislang angenommen, wie ein Experiment ergeben hat. Schon 31 Grad Wärme bei hoher Luftfeuchtigkeit reichen demnach aus, um die Kerntemperatur junger, gesunder Testpersonen gefährlich ansteigen zu lassen – bisher galten 35 Grad Kühlgrenztemperatur als potenziell tödliches Limit. Das könnte bedeuten, dass Klimawandel und zunehmende Hitzewellen mehr Menschen gefährden als gedacht.

Normalerweise schafft es unser Körper selbst an heißen Tagen, seine Kerntemperatur auf knapp 37 Grad zu halten. Die Verdunstungskühlung beim Schwitzen sorgt für die nötige Abkühlung. Das Problem jedoch: Ist die Luftfeuchtigkeit hoch, verdunstet der Schweiß nicht mehr und der Kühleffekt bleibt aus. Dadurch droht eine Überhitzung und im Extremfall der Tod.

Wo liegt das Limit?

Bisher galt die Annahme, dass ein gesunder Mensch eine Kühlgrenztemperatur von 35 Grad nicht viel länger als sechs Stunden überleben kann. Dieses Limit ergibt sich aus der Kombination von Temperatur und Luftfeuchte und entspricht 35 Grad bei 100 Prozent Luftfeuchte oder 46 Grad bei 50 Prozent Feuchtigkeit. Das Problem jedoch: „Obwohl dieser theoretische Grenzwert auf physiologischen Prinzipien beruht, wurde er bisher nicht durch empirische Daten überprüft“, berichten Daniel Vecellio und seine Kollegen von der Pennsylvania State University.

Das haben sie nun nachgeholt. Für ihre Studie setzten sie 24 gesunde Testpersonen im Alter zwischen 18 und 34 Jahren in Klimakammern verschiedenen Kombinationen von Hitze und Luftfeuchtigkeit aus. Alle Teilnehmenden trugen nur leichte T-Shirts und Shorts und bewegten sich langsam auf einem Laufband oder Fahrrad, um die für Alltagsaktivitäten typische Bewegung nachzubilden. Schweißproduktion und Hauttemperatur wurden an mehreren Körperregionen gemessen, eine verschluckte Sensorkapsel zeichnete kontinuierlich die Kerntemperatur auf.

Kritische Aufheizung schon ab 25 Grad

Die Messungen enthüllten: Die Kerntemperatur der Testpersonen erreichte schon deutlich unterhalb der gängigen Kühlgrenztemperatur von 35 Grad kritische Werte. Bei hoher Luftfeuchtigkeit von nahe 100 Prozent lagen die Grenzwerte stattdessen bei 30 bis 31 Grad. „Keiner der Probanden in den sechs verschiedenen Experimentvarianten erreichte das theoretische Limit von 35 Grad, ihre Werte wurden schon deutlich darunter kritisch“, berichten Vecellio und sein Team.

Interessant auch: Anders als bislang angenommen führte ein leichtes Absinken der Luftfeuchtigkeit nicht zu höheren Hitzetoleranzen. Stattdessen lag die kritische Kühlgrenztemperatur unter diesen Bedingungen sogar bei 25 bis 28 Grad. „Die kritischen Kühlgrenztemperaturen in heißen, trockeneren Umgebungen lagen damit fast zehn Grad niedriger als die Literaturwerte“, schreibt das Team. Wie sie beobachteten, lag dies zum Teil daran, dass die Probanden trotz geringerer Luftfeuchtigkeit ihre Schweißproduktion ab einem bestimmten Temperaturwert nicht weiter erhöhten.

Hitzegefahr durch Klimawandel unterschätzt

Nach Ansicht der Forschenden haben diese Erkenntnisse erhebliche Konsequenzen: „Das Klima verändert sich und es wird häufigere und intensivere Hitzewellen geben“, sagt Koautor Larry Kenney. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass wir uns in schwülwarmen Regionen der Erde schon dann Sorgen machen sollten, wenn die Kühlgrenztemperatur über 31 Grad steigt.“ Denn selbst junge, gesunde Menschen könnten von diesen Bedingungen schon körperlich überfordert sein – von älteren und kranken Personen ganz zu schweigen.

Schon bei höher angesetzten Grenzwerten gehen Studien davon aus, dass 1,2 Milliarden Menschen weltweit künftig lebensbedrohliche Hitzeperioden durchleben werden. Einige Regionen der Erde könnten im Sommer sogar komplett unbewohnbar werden – zumindest ohne Klimaanlagen und andere ausgleichende Maßnahmen. Wenn die kritische Kühlgrenztemperatur nun niedriger liegt als gedacht, könnte sich das Ausmaß der betroffenen Menschen und Gebiete noch weiter erhöhen.

„Die von uns ermittelten kritischen Toleranzgrenzen dokumentieren, dass Teile unseres Planeten schon jetzt regelmäßig solche nicht mehr kompensierbaren Kühlgrenztemperaturen erleben“, konstatieren Vecellio und seine Kollegen.

Kein universeller Grenzwert

Gleichzeitig ergibt sich aus den Experimenten, dass sich die kritische Schwelle in Abhängigkeit von den Klimabedingungen stärker unterscheiden könnte als bislang angenommen. „Eine universelle kritische Kühlgrenztemperatur für die menschliche Temperaturtoleranz auf dem gesamten Globus kann es daher nicht geben“, betonen die Forschenden. Das Klimarisiko müsse daher deutlich stärker geografisch betrachtet werden. (Journal of Applied, Physiology, 2022; doi: 10.1152/japplphysiol.00738.2021)

Quelle: Pennsylvania State University

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